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HISTORICAL Band 0272

HISTORICAL Band 0272

Titel: HISTORICAL Band 0272 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: LYN STONE LOUISE ALLEN
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unversehrt in England abzuliefern, bei Weitem überstieg? Sie war feinfühlig, verletzlich und empfindsam, mochte sie sich auch noch so sehr bemühen, ihr wahres Wesen vor ihm zu verbergen. Und sie war ihm unter die Haut gegangen, wie er es nie erwartet hätte.
    Es lag lediglich an der ungewohnten Situation, mit dieser Erklärung versuchte Jack seine innere Unruhe zu beenden. Er musste erst lernen, mit ihr umzugehen, wobei er sich ein weiteres Mal auf die andere Seite drehte. Er würde gewiss nie wieder mit einer Großherzogin aus königlichem Geblüt in ähnlich intime Umstände geraten. Zufrieden, endlich eine plausible Lösung für seine Nervosität gefunden zu haben, schloss er die Augen.
    Auf der anderen Seite des Polsters kämpfte Eva mit ihren eigenen Konflikten. Sie musste Sitte und Anstand wahren, selbst wenn sie von befremdlichen Wünschen erfüllt war, die dazu konträr standen. Ohne ersichtlichen Grund war sie ein weiteres Mal aufgewacht – Jack hatte gewiss kein Geräusch gemacht. Eine Weile blieb sie fast reglos liegen und erinnerte sich an sein Halbprofil, das sie gründlichst studiert hatte, als er am Fenster stand. Er war athletisch gebaut, ein Mann von einer klassischen Schönheit. Sein breiter Rücken ging in schmale Hüften über, er hatte die muskulösen Schultern und durchtrainierten Arme eines Menschen, der sich viel in der freien Natur bewegte. Wie die Marmorskulptur eines griechischen Gottes kam er ihr vor, mit einer sündigen Wirkung, wie sie nur eine Frau erlebte, die seit zwei Jahren enthaltsam lebte.
    Nachdem die Schläfrigkeit von ihr gewichen war, hatte sie ihre erotischen Fantasien verdrängt und sich ängstlich gefragt, wieso er am Fenster stand und so angestrengt in die Nacht spähte. Diese Unruhe hatte sie veranlasst, zu ihm zu eilen, ohne zu bedenken, dass sie nur mit einem Männerhemd bekleidet war. Und als sich ihr Schamgefühl wieder einstellte, war sie erneut abgelenkt worden von der Tatsache, dass er verletzt war.
    Kleine Jungen mit aufgeschürften Knien gehörten für eine Mutter zum Alltag, und die Blessuren erwachsener Männer zu säubern und zu verbinden, waren die Pflichten einer Ehefrau. Nachdem sie Witwe geworden war, hatte sie diese Fürsorge auf ihren kranken Schwager übertragen und nun auf Jack. Sie hatte an nichts anderes gedacht als daran, seine Wunden zu versorgen, bis er ihr in die Augen gesehen und die Hand nach ihr ausgestreckt hatte.
    Wollte er sie etwas fragen? Oder was hatte diese Geste sonst zu bedeuten? Nach seinem leidenschaftlichen Kuss in der dunklen Gasse zweifelte sie nicht daran, dass er große Erfahrungen in Liebesdingen hatte. Und es würde ihr schwerfallen, ihm zu widerstehen, falls er einen ernsthaften Versuch unternehmen würde, sie zu verführen. Eva neigte nicht zu Selbsttäuschungen, um mit ihrer Lebenssituation leichter zurechtzukommen. Und sie war nicht bereit, Risiken einzugehen und alles zu verlieren, indem sie vorgab, die Versuchung nicht zu erkennen. Bislang hatte sie sich nicht an den üblichen koketten Spielen beteiligt, hatte kaum verhohlene Angebote oder Versuche der Verführung abgelehnt, ohne das geringste Herzflattern, ohne auch nur einen Augenblick um ihren Schlaf gebracht zu sein. Und plötzlich fühlte sie sich verwirrt wie ein junges Mädchen, dem ein Mann zum ersten Mal den Kopf verdrehte.
    Hatte sie Zuneigung in Jacks Blick gelesen, war seine ausgestreckte Hand ein Beweis dafür? Oder war es die Geste eines erfahrenen Verführers? Sie durfte weder die Zuneigung noch die Verführung zulassen. Beides würde nur die Gefahr erhöhen, dass ihre Gefühle sie verraten würden. Falls er beabsichtigte, sie in Versuchung zu bringen, konnte nur strikte Disziplin und Distanz sie vor ihrem eigenen Begehren retten.
    Eva schloss die Augen und zwang sich, geduldig auf den Schlaf zu warten. Es war keineswegs tugendhaft, keusch zu bleiben, wenn es keine Verlockung gab. Der nächste Morgen würde ihr neue Kraft und Entschlossenheit bringen, daran musste und wollte sie glauben.

6. KAPITEL
    Das Geräusch schwerer Stiefelschritte auf den Dielenbrettern schreckte Eva aus dem Schlaf. Sonnenlicht strömte durchs Fenster, es war heller Tag, und sie lag noch im Bett, während die Verfolger ihr bereits auf den Fersen waren. Sie setzte sich kerzengerade auf. „Wie spät ist es?“ Wie konnte sie nur so tief geschlafen haben? „Wie geht es Ihren Wunden?“
    „Grade mal sechs Uhr, Zeit, um aufzustehen. Und meine Striemen heilen gut, danke.“ Jack,

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