HISTORICAL Band 0272
angebracht.“ Jack zog fragend die Brauen hoch. „Das erkläre ich Ihnen später, aber ich reite gern im Herrensattel.“ Eva wandte sich an die Besitzerin des Geschäfts, die augenblicklich einen Knicks machte. „Ich möchte gern die zwei Hüte in Ihrem Schaufenster probieren.“
Sie ritt im Herrensattel? Wo zum Teufel hatte sie das wohl gelernt? Das war gewiss nützlich. Wenn sie gezwungen waren, auf Pferde umzusteigen, mussten sie rasch und unbemerkt vorwärtskommen. Zerstreut überlegte Jack, wo es in Grenoble Reithosen für eine Frau zu kaufen gab. Eva war hochgewachsen und schlank, aber selbst ein junger Mann ihrer Größe würde niemals ihre wohlgeformten Hüften aufweisen.
„Jacques?“ Er zwang sich, seine unziemlichen Gedanken an ihre verlockenden Rundungen zu verdrängen. Stattdessen sah er sich einem Albtraum ausgesetzt, über den jeder Mann, den er kannte, nur stöhnend klagte. Nun war auch er vor die Wahl gestellt, von zwei weiblichen Kopfbedeckungen einer den Vorzug zu geben. „Welcher Hut gefällt Ihnen besser?“
Den gelben Kopfputz trug sie, gehalten von einer Seidenschleife, schräg unter dem Kinn. Das tiefe Grün des Satinbandes brachte ihre Augen zum Leuchten. Unwillkürlich tauchte ein sündiges Bild vor ihm auf: Eva räkelte sich auf einem Bettüberwurf in genau diesem satten Grün. Splitternackt.
„Entzückend. Kleidet Sie vortrefflich.“ Er dachte gerade noch daran, Französisch zu sprechen.
„Oder ist dieser hier nicht doch besser?“ Sie setzte einen Hut in einem goldbraunen Ton auf. Die breite Krempe umrahmte ihr ovales Gesicht und ließ ihr Haar leuchten. Ohne Schwierigkeiten konnte sein Traumbild eine andere Farbe annehmen. Nun lag Eva auf einer bernsteinfarbenen Seidendecke. „Ganz reizend. Nehmen Sie beide, wie ich Ihnen schon sagte.“
„Ja, aber dann habe ich noch diesen hier entdeckt.“ Sie biss sich unschlüssig auf die Unterlippe. Jack schloss einen Moment die Augen, und als er sie wieder öffnete, trug sie ein Gebilde auf dem Kopf, für das er keine Beschreibung fand. Das einzige Wort, das ihm dazu einfiel, war keck – seine würdevolle Großherzogin sah damit aus wie eine übermütige Siebzehnjährige.
„Wunderbar. Nehmen Sie alle drei.“
„Jacques, Sie sind nicht mit dem nötigen Ernst bei der Sache. Sie müssen sich für einen entscheiden – oder gefällt Ihnen gar keiner?“ Er stöhnte innerlich. Genau solche Sätze bringen Männer zur Verzweiflung, dachte er. Frauen fragen dich nach deiner Meinung, und dennoch sind sie beleidigt, was immer man sagt.
„Nein, ich finde alle drei reizend“, versicherte er aufrichtig. „Aber Sie könnten auch einen Kochtopf aufsetzen und würden immer noch schön aussehen. Es fällt mir daher schwer, einem Hut den Vorzug zu geben.“
„Gewiss, Monsieur.“ Die Putzmacherin schien das wohl für die richtige Antwort zu halten. Eva warf ihm einen verschwörerischen Blick zu, der etwas in seinem Inneren anrührte. Sein Pulsschlag beschleunigte sich, und er holte tief Atem, um sich zu beruhigen.
„Ich denke, ich nehme den gelben Strohhut und … den hier.“ Sie wies auf das aufreizende Gebilde.
„Sie wollen wirklich nicht alle drei?“, fragte Jack, während die Modistin sich beeilte, die Hüte in Schachteln zu verpacken.
„Wir haben gerade erst mit unseren Einkäufen begonnen.“ Jack erwiderte Evas Lächeln mit einem einfältigen Grinsen.
Es war völlig verrückt. Er, Jack Ryder, ein Abgesandter des Königs, ein Mann, der sich Abenteuer und Gefahr zur Lebensform erwählt hatte, freute sich darauf, mit ihr stundenlang Modesalons, Putzmacherinnen und Schuhgeschäfte aufzusuchen. Henry durfte keineswegs davon erfahren.
9. KAPITEL
Zwei Stunden später, mit diversen Paketen und Schachteln beladen, führte Jack Eva in ein Konfektgeschäft. „Es reicht! Ich glaube nicht, dass es in dieser Stadt noch einen Modeladen gibt, dem wir nicht einen Besuch abgestattet haben.“
„Nicht ein einziges, da bin ich mir auch sicher.“ Eva lächelte ihn glücklich über eine Tasse heiße Schokolade hinweg an. „Erzählen Sie mir, welche Reitsachen Sie für mich gekauft haben.“
„Reithosen, Hemden, eine Weste, Jackett und Stiefel. Eine Krawatte können Sie von mir bekommen.“
„Aber woher wissen Sie meine Kleidergröße?“ Sie errötete, und Jack überlegte, auf welche Weise er sie öfter dazu bringen könnte, ohne dabei die Grenzen der Freundschaft zu überschreiten, die er sich gesetzt hatte. Sie sah so
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