HISTORICAL BAND 295
zu ziehen, wie Osgifu es nun tat. Elgiva sah ihr nach, wie sie nach draußen ging, dann machte sie sich daran, die Dinge zusammenzustellen, die sie mitnehmen wollte.
Wenig später kehrte Osgifu zurück und wurde von Hilda begleitet, die gleichfalls einen grauen Umhang trug und die Kapuze über den Kopf gezogen hatte. Sie nahm den Umhang ab und legte ihn Elgiva um.
„Gott stehe Euch bei, dass Ihr Hunfirth helfen könnt, Herrin.“
„Das hoffe ich auch“, stimmte Elgiva ihr zu und verstaute den Lederbeutel mit ihren Heilmitteln unter dem grauen Stoff. Dann zog sie die Kapuze über den Kopf und achtete darauf, dass ihre Haare nicht zu sehen waren. Immerhin hätte schon ein flüchtiger Blick genügt, um ihre goldblonden von Hildas hellbraunen Locken zu unterscheiden. Schließlich nickte sie ihren Gefährtinnen zu.
„Du musst hier warten, bis wir zurückgekehrt sind“, sagte Osgifu zu Hilda.
„Das werde ich. Die Kinder sind in der Zwischenzeit bei Acca gut untergebracht.“
Auch wenn Acca schon recht alt war, wusste Elgiva, dass sie sich auf die vertrauenswürdige Dienerin verlassen konnte.
„Herrin, Ihr müsst die Gelegenheit nutzen, um von hier zu entkommen“, sagte Hilda mit ernster Miene. „Geht so tief in den Wald hinein, dass die Eroberer Euch nicht mehr finden können.“
„Und euch alle soll ich der Gnade der Wikinger überlassen?“
„Das ist nicht wichtig.“
„Mir ist das sehr wohl wichtig, Hilda. Wir haben gesehen, zu welchen Grausamkeiten sie fähig sind, und ich möchte nicht, dass irgendjemand hier abermals unter ihnen leiden muss.“ Elgiva drückte den Arm der jungen Frau. „Ich werde Hunfirth helfen, so gut ich kann, und dann kehre ich umgehend zurück. Wirst du so lange hier warten?“
Hilda nickte. Elgiva folgte Osgifu mit bangem Herzen nach draußen. Der Wachmann vor der Tür sah kurz auf, machte aber keine Anstalten, sie aufzuhalten, hatte er doch vor wenigen Augenblicken zwei identisch gekleidete Frauen den Raum betreten sehen. Sie verließen den Wohnturm, näherten sich dem Tor und mussten sich zwingen, langsam zu gehen. Das Tor stand offen, weil ständig jemand eintraf oder wegging, und die Wachen, die ein Auge auf dieses Treiben hatten, sahen nichts weiter als zwei Dienerinnen, die wie alle anderen irgendwelche Aufgaben erledigten.
Erst als sie diese beiden Hürden erfolgreich überwunden hatten, konnte Elgiva erleichtert aufatmen. Dennoch durften sie jetzt nicht unachtsam werden, immerhin hielten sich auch im Dorf Dänen auf. Als sie an der Schmiede ankamen, schloss sich ihnen Elfric an, von dort folgten sie dem Pfad in Richtung Wald. Der Regen hatte etwas nachgelassen, doch es war weiterhin derart kalt, dass die meisten Leute sich nicht im Freien aufhielten, wenn es sich vermeiden ließ. Verstohlen schaute sich Elgiva um, aber nirgends konnte sie einen Wikinger entdecken. Wahrscheinlich hatten auch die irgendwo vor dem Wetter Schutz gesucht. Zum Glück lag die Schmiede am äußersten Dorfrand, sodass es bis zum Wald nicht allzu weit war.
Trotz des Risikos, das sie einging, spürte Elgiva, wie sich ihre Laune besserte, kaum dass sie wieder den Himmel über sich hatte. Es tat gut, den Geruch von feuchter Erde und Laub einzuatmen, neue grüne Blätter an den Zweigen zu sehen. Der Wald versprach Freiheit und Schutz vor den Invasoren, da sie hier viele Verstecke kannte, doch Elgiva wusste, sie würde keinen Gebrauch davon machen. Sie hatte ihr Wort gegeben und würde es nicht brechen.
Nach vielleicht einer halben Meile hatten sie die uralten Dolmen erreicht, drei riesige Monolithe, auf die ein vierter gelegt worden war. Sie waren verwittert, mit Moos und Flechten überzogen und so alt, dass niemand mehr zu sagen vermochte, wer sie errichtet hatte. Ein Stück davon entfernt lag eine kleine Lichtung, wo sich die gesuchte Höhle befand.
Als sie sich der Stelle näherten, stieß Elfric zwei kurze, leise Pfiffe aus, und sofort kam ein Mann mit gezogenem Schwert aus der Höhle. Als er sie sah, ließ er die Waffe wieder sinken.
Elgiva erkannte den Mann wieder: Es war Brekka, auch er hatte in den Diensten ihres Bruders gestanden. Respektvoll neigte er den Kopf.
„Herrin, Ihr geht ein großes Risiko ein, indem Ihr herkommt. Ich danke Euch und auch Osgifu dafür. Hunfirth befindet sich in einer schlechten Verfassung. Ich habe getan, was ich konnte, aber das war leider nicht sehr viel.“
Sie folgten ihm durch den schmalen Zugang in die überraschend geräumige Höhle. Im
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