HISTORICAL BAND 295
Drachen.“
„Ein Krieger? Ein Lord? Werde ich ihm bald begegnen?“
„Du wirst ihm früh genug begegnen.“
Danach verfiel Osgifu in beharrliches Schweigen, und so viele Fragen Elgiva auch stellte, sie konnte ihr keine weiteren Antworten entlocken.
Die Zeit verging, ohne dass Elgiva mehr über den mysteriösen Mann erfuhr. Sie wusste, sie konnte nicht ewig darauf warten, dass ein Fremder des Weges geritten kam, um sie zu heiraten und um all ihre Probleme zu lösen. Eine unverheiratete Frau war verwundbar; umso mehr, wenn sie auch noch wohlhabend war und Land besaß. Es kam nicht selten vor, dass eine solche Frau dem Drängen eines ehrgeizigen und rücksichtslosen Lords nachgeben musste, wenn der über eine starke Streitmacht verfügte und mit Gewalt drohte.
Elgiva erschauerte. Da war es doch besser, einen angesehenen Mann zu ehelichen, der sie gut behandelte und Ravenswood instand setzen ließ. Ihr wurde klar, dass sie keine andere Wahl hatte: Sie musste Aylwin heiraten, und das schon bald. Die Liebe war etwas für romantische Sagas, doch im wahren Leben hatte sie keinen Platz. Ihr Bruder hatte recht gehabt: Eine Ehe mit Aylwin wäre für beide Seiten von Vorteil. Und vielleicht würde sie ihn mit der Zeit ja auch zu lieben lernen. Ganz sicher würde sie ihm eine pflichtbewusste Ehefrau sein und seine Kinder zur Welt bringen können. Was damit alles zwangsläufig verbunden war, darüber wollte sie im Moment lieber nicht nachdenken. Die Frage war nur, wie sie das Thema zur Sprache bringen sollte. Immerhin hatte sie Alywins Antrag damals abgelehnt. Konnte sie jetzt angekrochen kommen und ihn bitten, sie zu heiraten?
Wenige Tage später erledigte sich ihre Frage von selbst, da ein Diener die Ankunft von Lord Aylwin ankündigte, der sich mit einer kleinen Gruppe bewaffneter Männer Ravenswood näherte. Elgiva empfing ihn im Großen Saal, und nachdem sie ihn willkommen geheißen hatte, bot sie seinen Männern Erfrischungen an und gestattete Aylwin ein Gespräch unter vier Augen. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie dem Mann in einem bescheidenen dunklen Kleid und mit schlicht zum Zopf geflochtenen Haaren ganz ohne farbige Bänder oder Schmuck gegenüberstand. Hätte sie früher von seiner Ankunft erfahren, wäre ihr Zeit geblieben, sich etwas gefälliger zu kleiden und zu frisieren. So empfing eine Frau keinen Mann, der um ihre Hand anhalten wollte. Doch Aylwin schien sich daran nicht zu stören, sondern lächelte sie an. Er war von mittlerer Größe und kräftiger Statur, sein volles braunes Haar und der dichte Bart waren von Grau durchwirkt. Sein Gesichtsausdruck hatte etwas Mitfühlendes und Freundliches an sich, die Augen verrieten nichts als Bewunderung für sie.
Eine Weile unterhielten sie sich über Osric, und er hatte nur Freundliches über ihn zu sagen, doch es dauerte nicht lange, da kam er auf den wahren Grund für seinen Besuch zu sprechen.
„Durch den Tod Eures Bruders seid Ihr nun ganz allein, und Ihr befindet Euch in einer schwierigen Situation, Lady Elgiva. In Zeiten wie diesen braucht eine Frau einen Beschützer.“
Elgiva glaubte ihren Bruder reden zu hören, was ihr einen eisigen Schauer über den Rücken laufen ließ. Ihr Herz schlug schneller, da sie wusste, was er sagen würde.
„Ich wäre gern dieser Beschützer für Euch.“ Er hielt inne und sah sie etwas verlegen an. „Ich stehe nicht mehr in der Blüte der Jugend, aber ich bin bei guter Gesundheit und kann Euch beschützen. Und ich schwöre Euch meine Loyalität und Hingabe.“
Sie spürte, wie ihre Wangen zu glühen begannen, was Aylwin wohl falsch deutete, da er tief durchatmete und hinzufügte: „Ich möchte Euch beschützen, Elgiva. Ich bitte Euch nicht darum, mich zu lieben, aber vielleicht wird das irgendwann ganz von selbst kommen. Bis dahin kann ich Euch versichern, dass ich Euch lieben werde.“
Ihr entging nicht die Ernsthaftigkeit in seiner Stimme. Sie hob den Kopf und sah Aylwin in die Augen.
„Überrascht es Euch, das zu hören?“
„Ich hatte nicht erwartet … Ich meine …“ Sie unterbrach sich, da ihr nicht die richtigen Worte in den Sinn kommen wollten.
„Habt Ihr eine Vorstellung davon, wie wunderschön Ihr seid?“, sprach er weiter. „Seit dem Tag, an dem ich Euch zum ersten Mal gesehen habe, wollte ich Euch zu meiner Frau machen. Meine Gundred ist inzwischen seit fünf Jahren tot, und irgendwann fühlt sich ein Mann wieder einsam. Ich glaube, Ihr seid auch einsam. Können nicht zwei Menschen,
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