HISTORICAL BAND 295
Kleiner?“
Ulric brabbelte glucksend etwas vor sich hin und strahlte.
Wulfrum grinste. „Ich deute das als Zustimmung.“
Zu ihrer Überraschung stellte Elgiva fest, dass sie ebenfalls lächelte. „Hilda wird erleichtert sein. Sie hatte Ulric nur für einen Augenblick den Rücken zugewandt, schon hat er die Gelegenheit genutzt, nach draußen zu laufen.“ Sie hielt kurz inne. „Danke, dass Ihr Euch um ihn gekümmert habt.“
Für einen Augenblick war Wulfrum verwirrt, weil sie ihn so warmherzig anlächelte. Um seine Reaktion zu überspielen, sah er den Jungen wieder an.
„Wie alt ist er?“
„Drei Jahre.“
„Ein guter Junge. So wie sein Brüderchen. Jeder Mann wäre stolz, so gesunde Söhne zu haben.“
„Und trotzdem hat mein Bruder zu Lebzeiten kaum Interesse an den beiden gezeigt.“ Elgiva biss sich auf die Lippe. „Es ist nicht angemessen von mir, so etwas auszusprechen, nicht wahr?“
„Du hast jedes Recht dazu. Schließlich bist du nicht wie dein Bruder. Diese beiden Kinder bedeuten dir sehr viel.“
„Selbstverständlich. Immerhin bin ich ihre Tante.“
„Es ist mehr als das“, erwiderte er. „Du magst Kinder.“
„Ja.“
„Das ist gut.“
Sein Tonfall wirkte im ersten Moment unverbindlich, aber als ihr klar wurde, was er tatsächlich meinte, begann ihr Gesicht zu glühen. Genau in diesem Augenblick kam allerdings Hilda dazu, die Pybba in den Armen hielt. Als sie sah, wer Ulric auf dem Arm hielt, blieb sie abrupt stehen. Wulfrum warf ihr einen flüchtigen Blick zu, dann übergab er den Jungen an Elgiva.
„Ich vertraue ihn besser dir an.“
Mit diesen Worten machte er kehrt und ging weg, während Elgiva ihm hinterherschaute. Dieser Mann erstaunte sie immer wieder aufs Neue. Wann immer sie glaubte, ihn durch und durch zu kennen, offenbarte er eine neue Seite. Es war eindeutig, dass er Kinder mochte und es nicht zulassen würde, dass ihnen etwas geschah. Immerhin hatte er ja auch verhindert, dass Sweyn ihren Neffen etwas antat. Und nun hatte er sich als überraschend sanftmütig im Umgang mit Ulric erwiesen. Dann aber ging ihr noch einmal der letzte Teil ihrer Unterhaltung durch den Kopf, und sie dachte über das nach, was dabei unausgesprochen geblieben war. Noch vor einer Weile hatte sie selbst Kinder haben wollen. Wäre es zur Heirat mit Aylwin gekommen, dann hätte sie klaglos seine Kinder zur Welt gebracht. Bei Wulfrum hingegen war das etwas ganz anderes. Er war ihr Ehemann, aber wie sollte sie mit ihm ein Kind zeugen, ohne alles zu verraten, was ihr wichtig war? Sie warf einen letzten Blick in Wulfrums Richtung, dann drehte sie sich schnell weg.
Nachdem er eine Weile im Vorratsraum verbracht und festgestellt hatte, dass dort alles seinen Vorstellungen entsprechend erledigt wurde, kehrte Wulfrum in den Großen Saal zurück, wo die zwei heilkundigen Frauen ihre morgendliche Runde machten und sich um die Verwundeten kümmerten. Sein Blick wanderte zu Elgiva, die soeben behutsam einen Verband wechselte und völlig in diese Arbeit vertieft war. Dabei redete sie leise auf ihren Patienten ein, einen Wikinger namens Harald. Der Siebzehnjährige war bei der Schlacht um Ravenswood von einem Pfeil in die Schulter getroffen worden und hatte danach Fieber bekommen. Einige Tage lang hatte es gar nicht gut um ihn gestanden, und sein Überleben war einzig der Fürsorge durch Elgiva und Osgifu zu verdanken. Inzwischen war er offensichtlich auf dem Weg der Besserung, da er sich mit Elgiva unterhielt, während sie sich um ihn kümmerte. Wulfrum sah sie lächeln. Worüber die beiden sprachen, konnte er nicht vernehmen, aber ihre Worte schienen eine gute Wirkung auf den jungen Mann zu haben.
Bevor er sich darüber weiter Gedanken machen konnte, kam Eisenfaust zu ihm. Ein Blick in das Gesicht des Riesen verriet ihm, dass der Mann war mit schlechten Nachrichten gekommen war.
„Was gibt es, Olaf?“
„Die halbe Arbeiterschaft für das Scheunendach ist heute Morgen nicht erschienen. Die anderen sagen, dass sie unter Übelkeit und Erbrechen leiden und nicht kommen können.“
„Stimmt das?“
„Es stimmt, Herr. Ich war erst gerade eben im Dorf, und sie sind wirklich alle krank.“
Wulfrum legte die Stirn in Falten. „Weiß man etwas über die Ursache? Vielleicht verdorbenes Fleisch?“
„Nein, Herr. Offenbar haben nur ein paar von ihnen Fleisch gegessen. Der Rest hat Brot und Gemüsesuppe verzehrt.“
„Wir müssen den Grund herausfinden. Ich habe erlebt, was Erbrechen bei ganzen
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