HISTORICAL BAND 295
natürlich schmerzhaft sein, aber Wulfrum hatte sie noch einmal glimpflich davonkommen lassen, das wusste jeder von ihnen. Schweigend sahen sie zu, wie ein Gefangener nach dem anderen vor dem Holzblock niederkniete, damit ihm das Halseisen umgelegt und mit glühenden Nieten verschlossen werden konnte. Elgiva wollte diese Demütigung nicht mit ansehen, doch Wulfrum legte eine Hand um ihren Arm, bevor sie weggehen konnte.
„Du bleibst hier, Elgiva, und siehst dir an, wie die Männer ihre Strafe erhalten.“
Sie hob den Kopf und schaute ihm ins Gesicht, aber seine Miene verriet ihr, dass er seine Entscheidung getroffen hatte. Also musste sie gehorchen. Sie litt mit den Männern, und ihr drehte sich der Magen um, als die knallenden Peitschenhiebe gezählt wurden. Nur mit Mühe konnte sie sich davon abhalten, bei jedem Hieb zusammenzuzucken. Doch sie hielt sich vor Augen, dass das hier harmlos war, wenn man bedachte, was Wulfrum ursprünglich vorgehabt hatte.
Endlich war es vorüber, und die Menge begann sich aufzulösen. Auch Elgiva wäre am liebsten gegangen, doch Wulfrum hielt sie weiterhin zurück. Sie drehte sich um und schaute ihren Ehemann an.
„Danke, dass Ihr diese Männer verschont habt.“
„Du musst mir nicht danken“, gab er zurück. „Ich brauche diese Leute, und jetzt weiß ich, dass sie mir alle treu dienen werden.“
Sie bemerkte ein seltsames Funkeln in seinen Augen, und ihr kam ein Verdacht. „Ihr hattet nie etwas anderes vor, als sie auszupeitschen, oder?“
„Nein.“ Er lächelte sie an. „Aber es war wichtig, dass sie das glauben.“
Sie starrte ihn fassungslos an, als sie das gesamte Ausmaß seines Plans zu verstehen begann. „Dann wusstet Ihr, ich würde mich für diese Leute einsetzen und für sie um Gnade bitten?“
„Ich hatte damit gerechnet, dass du nicht tatenlos zusehen würdest“, räumte er ein. „Und du bist sehr wortgewandt, wie ich feststellen durfte.“
Einen Moment lang verschlug diese Dreistigkeit ihr die Sprache, dann packte sie die Wut, und sie holte aus. „Ihr habt mich glauben lassen, dass Ihr diese Männer tatsächlich verstümmeln wollt. Ihr habt dafür gesorgt, dass ich mich zum Narren mache!“
Wulfrum bekam ihr Handgelenk zu fassen, bevor sie ihm einen Schlag verpassen konnte. „Du hast dich keineswegs zum Narren gemacht. Ganz im Gegenteil, möchte ich sagen.“
„Ich habe Euch jedes Wort geglaubt.“ Vergeblich versuchte sie, sich aus seinem Griff zu befreien. „Ich habe Euch tatsächlich geglaubt!“
„Ja, ich weiß. Und das war auch nötig.“
„Also habt Ihr mich benutzt, um Euch selbst als edelmütig darzustellen.“
„Nein, ich habe dich benutzt, um ein Dilemma zu lösen. Glaub mir, ich bin dir wirklich dankbar.“
„Wie schön.“
Wulfrum lächelte sie weiter an und stellte wieder einmal fest, wie außergewöhnlich anziehend seine Frau war, wenn sie wütend war. „Ach, komm. Du musst zugeben, dass dies der bessere Weg war.“
Sie schwieg, aber sie wusste, er hatte recht. Trotzdem war er einfach widerwärtig hochmütig, und außerdem war er ihr viel zu nah.
„Gib es zu“, beharrte er, als sie immer noch nichts sagte.
„Also gut, es war besser so“, stimmte sie ihm zu. „Aber die Vorgehensweise gefällt mir nicht.“
„Dann bedauere ich die Vorgehensweise.“
Elgiva fragte sich, ob sie sich vielleicht verhört hatte, doch weder seine Miene noch sein Tonfall hatten etwas Spöttisches an sich.
„Ich muss diese Leute führen, Elgiva, und sie müssen lernen, mir zu gehorchen. Nur so kann es Frieden geben, und je eher sie das lernen, desto besser.“
Dann ließ er sie los und wandte sich ab. Sie sah ihm nach, während seine Worte noch durch ihren Kopf kreisten. Es ärgerte sie nach wie vor, dass er sie so benutzt hatte. Dabei hatte sie die ihr zugeteilte Rolle, ohne es zu wissen, perfekt gespielt. Er musste sich großartig amüsiert haben! Wütend trat sie gegen einen kleinen Stein, der auf dem Boden lag. Männer! Sie waren hinterhältig und gnadenlos, wenn es darum ging, ihre Ziele zu erreichen, und Wulfrum stellte keine Ausnahme dar. Beim nächsten Mal würde sie sich nicht so leicht täuschen lassen. Allerdings musste sie auch zugeben, dass seine Entschuldigung aufrichtig geklungen hatte – aber das galt auch für alles, was er davor gesagt hatte. Daher konnte sie unmöglich sagen, ob er die Entschuldigung ernst gemeint hatte oder ob er sie nur hatte beschwichtigen wollen.
Immer noch wütend machte sie sich auf den
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