HISTORICAL BAND 295
mit einigen freundlichen Worten zu erwidern.
„Ihr habt auch Euren Teil dazu beigetragen, Herr.“
Überrascht stellte Wulfrum fest, dass diesmal der trotzige Unterton in Elgivas Stimme fehlte. Dabei konnte seine Gemahlin doch sonst ihre spitze Zunge kaum im Zaum halten – die Zunge, mit der sie in der Lage war, ihn im Handumdrehen zu entwaffnen. Nie zuvor war ihm der Gedanke gekommen, er könnte in einer Frau eine Verbündete finden, von einer guten Freundin ganz zu schweigen. Und doch hatten ihm die letzten Tagen gezeigt, wie wertvoll es sein konnte, eine Frau an seiner Seite zu haben. Mit einer Frau wie Elgiva konnte ein Mann viel erreichen. Dieser Gedanke war zugleich beunruhigend und sehr willkommen. Aber wie sollte er ihr diese Überlegung anvertrauen? Wieder fand er nicht die richtigen Worte. Wenn er sich falsch ausdrückte, zerstörte das vielleicht den empfindlichen Waffenstillstand zwischen ihnen. Oder, schlimmer noch, sie lachte ihn deshalb aus. Und falls sie das tat, dann könnte er es ihr nicht einmal verübeln. Vermutlich war es besser, wenn er einfach schwieg.
Elgiva hatte keine Ahnung, woran er in diesem Moment dachte, doch sie spürte, dass eine Veränderung eingesetzt hatte. Die Spannung zwischen ihnen war schwächer geworden, zumindest für den Augenblick. Da sie den Grund dafür nicht kannte, beschloss sie, den Mund zu halten, um nicht durch eine unüberlegte Äußerung diesen kleinen Fortschritt zunichtezumachen.
Im Verlauf der nächsten Tage besserte sich der Gesundheitszustand der Dorfbewohner, und Osgifu war zuversichtlich. Die Menschen kamen wieder zu Kräften, und täglich konnten mehr von ihnen das Bett verlassen. Durch das Fieber waren sie zwar noch geschwächt, aber das Schlimmste lag hinter ihnen.
Im Saal war die Zahl der Verletzten, die noch Pflege bedurften, ebenfalls deutlich zurückgegangen. Lediglich die schwersten Fälle mussten sich noch schonen, etwa ein Dutzend Krieger. Auch der junge Harald hätte am liebsten sein Lager verlassen, doch Osgifu erlaubte es ihm nicht.
„Wenn du willst, dass die Verletzung an deiner Schulter wieder aufplatzt, dann kannst du gern aufstehen.“
„Ich liege jetzt schon seit drei Wochen hier.“
„Wenn du weißt, was dir guttut, Junge, dann wirst du noch eine Woche länger liegen bleiben.“
Er warf ihr einen aufgebrachten Blick zu, der sie in keiner Weise berührte. Stattdessen wandte sie sich an Elgiva. „Sprich du mit ihm. Vielleicht kannst du den Hitzkopf ja eher zur Vernunft bringen.“
Elgiva schenkte dem jungen Mann ein verständnisvolles Lächeln, blieb aber ebenso unnachgiebig wie Osgifu. „Du weißt doch, dass sie recht hat. Du musst noch eine Weile ausruhen.“
Mit einem leisen Seufzer lenkte er ein: „Euer Wunsch ist mir Befehl, Herrin.“
„Sei lieber vorsichtig, was du versprichst, Harald.“
Dessen Gesichtsausdruck wurde sehr ernst. „Ich würde alles tun, wenn Ihr mich darum bittet, Herrin.“
Sie musste lachen. „Ich werde es mir merken, Harald. Es könnte sein, dass du dein Versprechen noch bereuen wirst.“
„Niemals.“
Sie sammelte ihre Sachen ein, um sich zum nächsten Verletzten zu begeben. Als sie dabei den Kopf hob, entdeckte sie Wulfrum, der sie von der anderen Seite des Saals aus beobachtete. Seine Miene wirkte wie versteinert. Die Vernarrtheit eines jungen Mannes in seine Pflegerin machte einen erhabenen Jarl wie ihn doch nicht etwa eifersüchtig? Aber wie es schien, war Wulfrum ausgesprochen schlechter Laune. Deshalb hielt sie es für besser, ihre Belustigung vor ihm zu verbergen, während sie sich dem nächsten Patienten näherte.
Wulfrum verfolgte genau, welchen Weg seine Frau nahm, um von einem Verletzten zum nächsten zu gelangen. Er sah die Gesichter der Männer, er sah, wie sie zu strahlen begannen, sobald sie in ihre Nähe kam. Wulfrum musste seufzen. Welchem Mann konnte es bei dieser Frau anders ergehen? Man musste sich einfach in sie verlieben – und genau das schien bei der Hälfte seiner Männer auch geschehen zu sein. Im nächsten Moment schämte er sich für seine schlechte Laune. Was war nur mit ihm los, dass er so reagierte? Elgiva gehörte ihm, das würde niemand bestreiten. Elgiva kümmerte sich um Harald und die anderen verletzten Krieger, weil er selbst es ihr befohlen hatte, und nur ihr und Osgifu war zu verdanken, dass so viele Dorfbewohner und verwundete Dänen überlebt hatten. Er hatte allen Grund, ihr dankbar zu sein, statt sie zu verdächtigen. Und doch war es noch
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