HISTORICAL BAND 295
war. Plötzlich fiel ihr auf, wie Wulfrum sie anlächelte.
„Komm“, sagte er.
Nachdem sie die Pferde auf die Weide gebracht hatten, gingen sie Seite an Seite zurück in den Saal. Elgiva stolperte und wäre beinahe hingefallen, aber Wulfrums starker Arm um ihre Taille hielt sie. Dann endlich waren sie im Trockenen, und es kam ihr vor, als seien sie an einen Ort des Friedens und des Lichts gelangt, so albtraumhaft war es draußen in der Dunkelheit zugegangen. Sie wischte ihr Gesicht trocken und wrang ihr Haar aus, das vom Regen völlig durchnässt war. Wulfrum war es nicht anders ergangen, seine dunklen Locken klebten an Kopf und Schultern, und die Kleidung hing, vom Regenwasser durchtränkt, schwer von seinem Körper herab.
Auf einmal bemerkte sie, dass er sie auffallend interessiert ansah und dabei breit grinste. Sie folgte seinem Blick und bemerkte erschrocken, dass ihr tropfnasses Unterkleid so auf der Haut klebte, dass jede Kontur so deutlich zu erkennen war, als würde sie völlig nackt dastehen. Prompt bekam sie einen roten Kopf.
„Wir sollten uns lieber nach oben begeben, bevor meine Männer zurückkehren. Ansonsten kann ich für die Folgen nicht garantieren.“
Sie nickte, aber es waren bereits Stimmen zu hören, und jeden Moment würde die Tür aufgehen. Bis zur Treppe war es noch ein ganzes Stück, doch der Gedanke daran, so von Wulfrums Männern gesehen zu werden, spornte sie an. Im Eiltempo durchquerte sie den Saal und rannte die Stufen hinauf. Gerade hatte sie den Kopf der Treppe erreicht, da kamen Eisenfaust und Ido herein, gefolgt von den anderen.
„Bei Fenrirs Reißzähnen, was für eine Nacht!“ Eisenfaust schüttelte sich das Wasser aus Haaren und Bart. Seine Kleidung tropfte so sehr, dass sich dort, wo er stand, bereits eine Pfütze bildete.
„Es hätte noch viel schlimmer kommen können, wenn das Feuer auf die Scheune und den Kuhstall übergesprungen wäre“, gab Ido zu bedenken. „So wird der Regen wenigstens noch die letzten Flammen löschen. Den Stall werden wir so oder so neu bauen müssen.“
„Wie im Namen aller Götter ist überhaupt dieses Feuer entstanden?“
„Könnte ein Blitzeinschlag gewesen sein.“
„Unwahrscheinlich. Das hätten wir gehört, und außerdem wäre das Dach dabei weggerissen worden. Aber es war noch weitgehend unbeschädigt, als wir ankamen.“
Ido stutzte. „Ja, stimmt. Vielleicht ist ja eine Fackel ins Stroh gefallen.“
„Das könnte sein. Ich werde morgen mit den Stallburschen reden. Wenn einer von ihnen nachlässig war, werde ich mir aus seiner Haut ein Wams schneidern lassen!“
Wulfrum rief den Dienern zu, dass sie Ale bringen sollten. Er wusste, er benötigte etwas zu trinken, nachdem er so viel Rauch eingeatmet hatte. Auch seine Männer mussten ihre Kehlen spülen. Wie nicht anders erwartet, traf der Vorschlag allseits auf Zustimmung. Er ließ sich sein Trinkhorn ein paarmal auffüllen und stieß mit den Männern an, um ihnen für die Rettung der Pferde zu danken. Wenn er daran dachte, dass Feuerdrache und die anderen Tiere beinahe in den Flammen umgekommen waren, erwachte sein Zorn von Neuem. Hätte Elgiva nicht Alarm geschlagen, wäre jeder Rettungsversuch womöglich zu spät gekommen. Im Geiste sah er wieder, wie sie vor ihm her Richtung Stall gerannt und zu seinem Entsetzen in das brennende Gebäude gestürmt war. Sie hätte nicht zugelassen, dass einem der Tiere etwas zustieß. Ihr Mut war einzigartig, und das machte ihn stolz. Doch dann erinnerte er sich noch an etwas anderes: an den Anblick, wie sie in ihrem durchnässten Unterkleid vor ihm gestanden hatte. Prompt nahmen seine Gedanken eine andere Richtung, er trank sein Ale aus und wollte seinen Männern eine gute Nacht wünschen, als er auf einmal hörte, wie der Name seiner Frau fiel.
„Wir haben es Lady Elgiva zu verdanken, dass unsere Pferde noch leben“, sagte Eisenfaust. „Ohne sie wäre alles ganz anders ausgegangen.“
„Habt ihr gesehen, wie sie in den Stall gelaufen ist?“ Ido schüttelte ungläubig den Kopf. „Hat nicht einen Moment gezögert. Tapfer wie eine Löwin.“
„Ja, das kann man wohl sagen.“
„Und als sie dachte, dass Wulfrum nicht mehr nach draußen kommt, wollte sie unbedingt wieder in den Stall stürmen. Ich konnte sie noch gerade eben festhalten. Dabei hat sie sich gegen mich zur Wehr gesetzt wie eine Furie.“
„Tatsächlich?“ Eisenfaust wollte gerade das Trinkhorn an die Lippen ansetzen, doch bei dieser Bemerkung erstarrte seine
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