HISTORICAL BAND 295
zum anderen, um das Feuer zu löschen, während die übrigen versuchten, die restlichen Tiere aus dem Stall zu holen. Zum Glück hatten die meisten Pferde ohnehin die Nächte unter freiem Himmel verbracht, weil es derart warm war.
„Nehmt mir die Stute ab!“, rief Wulfrum, zog den Umhang von Maras Kopf und drückte das Seil dem nächstbesten Diener in die Hand. Dann tauchte er das Kleidungsstück in einen Wassertrog und sagte zu Elgiva: „Warte hier.“
Sie sah zu, wie er sich den nassen Umhang überwarf und in die Flammenhölle zurückkehrte. Ihre Augen brannten immer noch, während sie den Blick hob und die dichte Rauchwolke betrachtete, die durch das Dach quoll. Der Tosen und Knistern der Flammen war nun noch lauter, der Feuerschein greller, und auch aus dem offen stehenden Tor drang Rauch, als hätte jemand ein Portal zur Hölle geöffnet. Angsterfüllt wartete sie auf Wulfrums Rückkehr, doch ein Moment nach dem anderen verstrich, ohne dass er in Sicht kam. Als Elgiva daran dachte, wie sein Pferd in unbändiger Panik um sich getreten hatte, begann ihr Herz zu rasen. Was, wenn Wulfrum verletzt war und nicht aus eigener Kraft den Stall verlassen konnte? Was, wenn der Rauch ihm das Bewusstsein genommen hatte? Er würde dort drinnen sterben, inmitten der Flammen! Kurz entschlossen rannte sie wieder Richtung Stall, doch sie kam nicht weit, da eine Hand sie am Arm packte und zurückhielt. Dann hörte sie Idos Stimme.
„Ihr könnt nicht noch mal da rein, Herrin! Es ist bereits zu spät!“
„Wulfrum ist da drin! Lass mich los!“
Elgiva strengte sich vergeblich an, da sie sich nicht aus Idos Griff befreien konnte. Tränen liefen ihr übers Gesicht, als sie den dichten Rauch und die zuckenden Flammen betrachtete. In diesem Höllenfeuer konnte nichts mehr leben, daran gab es keinen Zweifel. Im Geiste sah sie Wulfrum, vom Rauch betäubt, hilflos auf dem Stallboden liegen, während das Feuer ihn von allen Seiten umgab. Noch verzweifelter versuchte sie sich loszureißen.
„Ich muss zu ihm! Wulfrum!“
Ido ließ sie nicht los und ignorierte ihre Tränen ebenso wie ihr Flehen. Er konnte sie nicht loslassen, weil er wusste, sie würde dann auf der Stelle in das Flammenmeer hineinrennen. Sein Blick wanderte an ihr vorbei zum Stall, als könnte er Wulfrum mit bloßer Willenskraft dazu bringen, wieder nach draußen zu kommen. Doch er musste ebenso hilflos wie Elgiva mit ansehen, wie die Flammen immer höher schlugen und die Rauchwolken dichter und dichter wurden.
Da, auf einmal, bewegte sich ein Schemen mitten im Rauch, und Wulfrum kam zum Vorschein, Feuerdrache am Seil führend. Er hustete keuchend, seine Kleidung war angesengt, aber er lebte! Das Pferd war völlig verängstigt, doch es war ebenfalls entkommen. Vor Erleichterung sank Elgiva gegen Ido, der sie festhalten musste, damit sie nicht zu Boden fiel.
„Er lebt! Oh Wulfrum!“
Sie sammelte ihre Kräfte, befreite sich aus Idos Armen und lief Wulfrum entgegen. Besorgt sah sie, wie angestrengt er atmete.
„Geht es dir gut?“
Er nickte nur, da er kein Wort herausbringen konnte. Seine Kehle fühlte sich rau und wund an. Es dauerte einen Moment, dann erst war er zu einem weiteren Atemzug in der Lage. Elgiva kniff die Augen zu, vermutlich, um ihre Tränen zurückzuhalten. Sie musste geglaubt haben, dass sie ihn verloren hatte. Im nächsten Augenblick schlang sie die Arme um ihn und drückte ihn an sich. Wulfrum sah sie überrascht an, doch bevor er etwas sagen konnte, kam Eisenfaust zu ihnen.
„Alle Pferde sind in Sicherheit, Herr, aber den Stall können wir nicht retten.“
„Lasst ihn ausbrennen. Wir setzen heute Nacht nicht noch mehr Leben aufs Spiel“, brachte er heiser heraus.
Die Hitze der Flammen zwang sie, noch einige Schritte zurückzugehen. An einem Ende gaben auf einmal die Dachbalken nach, Flammen und Rauch schossen in die Höhe. Elgiva zuckte zusammen, da ihr in diesem Moment klar wurde, was geschehen wäre, wenn sie das Feuer zu spät bemerkt hätten. Einen Stall konnte man neu aufbauen, aber die Pferde hätten sie nicht mehr retten können.
Plötzlich ließ ein Donnerschlag den Boden unter ihren Füßen erzittern, dann fielen die ersten Regentropfen, und nur Augenblicke später ging ein Wolkenbruch auf sie nieder, während Blitze über den Himmel zuckten und die Szenerie in grelles Licht tauchten.
Der Regen wurde noch heftiger, und Elgiva schnappte erschrocken nach Luft, als sie merkte, dass sie längst bis auf die Haut durchnässt
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