Historical Band 298
während der paar Atemzüge, die es dauerte, bis er antwortete? Dass er Nein sagen würde? Dass sie vielleicht für den Rest seines Lebens als Little John mit ihm zusammenbleiben konnte?
„Nun, ich werde nicht die höheren Weihen empfangen, falls es das ist, was du wissen willst. Doch nein, ich denke nicht ans Heiraten.“ Es lag etwas Endgültiges darin, wie er das sagte.
„Wenn Gott Euch einen Wunsch erlaubte, was würdet Ihr Euch wünschen?“
„Zuerst würde ich nach Paris gehen wollen“, sagte er rasch. „Oder sogar nach Bologna.“ Sie nickte, während sie sich eine gemeinsame Reise in ferne Länder vorstellte. Auch sie würde gerne Paris kennenlernen. „Und dann?“
Er neigte den Kopf zur Seite, als hätte er über diese Frage noch nie nachgedacht. „Ich würde mit meinem Wissen in die Berge meiner Heimat zurückkehren. Aber in ein friedliches Land, wo ich durch die Täler und Schluchten streifen könnte und den Spaten schwingen statt des Schwerts.“ Er lächelte ein wenig peinlich berührt. „Vielleicht könnte ich sogar ein, zwei Verse schreiben.“
Hätte er das einem anderen Mann erzählt, würde dieser ihm wohl lachend einen Stoß versetzen und ihn weibisch nennen. Also konnte sie nicht einfach zu ihm sagen: Ich verstehe dich. Ich weiß, was du meinst.
Er schätzte also den Süden nicht; dennoch war er hier. „Warum kamt Ihr hierher, wenn Ihr alles hier hasst?“
Er sah sie so durchdringend an, dass sie Angst hatte, er könnte selbst in der Dämmerung erkennen, dass ihre Wangen zu glatt waren, um jemals einen Bart zu tragen. „Hast du dir je gewünscht, etwas oder jemand zu sein, der du unmöglich sein kannst?“
Die Frage traf sie wie ein Pfeil. Ihr Mund wurde trocken, sie brachte kein Wort heraus. Was sicher besser war, denn sonst hätte sie zu viel gesagt.
Sie hätte ihm alles erzählt.
So zuckte sie nur mit den Achseln und nickte. Es war die Antwort eines Mannes, und es blieb Duncan überlassen, sie zu interpretieren.
Seine Finger glitten weiterhin über die Saiten. Er schien zu verstehen, dass es keine Antwort gab. „Na ja, so ist es nun einmal. In meiner Heimat kann ich ich selbst sein. Sie ruft nach mir. Aber es gibt dort auch Dinge, die ich nicht ertrage. Und dann ist da noch etwas in mir, das möchte …“
Jane hielt den Atem an. Möchte was? Kann ich es dir geben?
Aber er beendete den Satz nicht. „Im ersten Jahr hasste ich hier alles so sehr, dass ich mich an Weihnachten wieder fortmachte. Ich wollte nicht wiederkommen.“
„Warum tatet Ihr es trotzdem?“
„Es gab Dinge, die wollte ich hinter mir lassen.“ Auf seinem Gesicht lag ein trauriges Lächeln. „Und Dinge, die wollte ich …“ Er zuckte wieder mit den Achseln. „Jetzt gehöre ich nirgendwohin.“
Sie nickte und wusste genau, was er meinte. Sie hatte wie ein Mann leben wollen, aber es schien, als hätte sie nur eine andere Verkleidung angelegt. Und keine ihrer Verkleidungen, weder Mann noch Frau, passte wirklich.
„Das Leben ist manchmal höllisch schwer“, seufzte sie.
Er lächelte, als wüsste er, dass sie ihn verstand. Dann war der vertraute Moment vorbei. Keine Bekenntnisse mehr. „Aber es ist auch wunderbar für einen Mann, der es zu genießen weiß.“ Er ließ ein paar perlende Akkorde erklingen und lächelte. „Du hast noch viel zu viel vor, um dir jetzt schon den Kopf übers Heiraten zu zerbrechen, Junge.“
Sie schüttelte heftig den Kopf, damit er ihr glaubte. „Ich habe keine Eile. Überhaupt nicht.“
„Recht so, übereile nichts, aber lerne die Frauen kennen und genieße die Freuden, die dein Körper dir schenkt. Der heilige Thomas nannte es eine Sünde. Aber er verdammte die Unzucht nur, weil er zu alt war, um die Freuden der Jugend zu genießen.“ Das listige Lächeln kehrte zurück. „Du hast keinen Vater. Also werde ich dich wohl darin unterrichten müssen.“
Und wie gern sie unterrichtet werden wollte! Aber nicht so, wie er es sich vorstellte.
Sie wollte lernen, wie ein Mann und eine Frau zusammenkommen konnten. Sie wollte seinen Körper studieren. Wollte wissen, was es war, dieses Sehnen, von dem sie bislang keine Ahnung gehabt hatte.
Aber wenn er sie das andere lehrte, wenn er versuchte, ihr beizubringen, was ein Mann wissen sollte … „Na ja, bis ich vor dem König spreche, sollte ich mich wohl besser auf mein Latein konzentrieren.“
Er legte ihr eine Hand in den Nacken und schüttelte sie leicht. „Endlich nimmst du deine Studien ernst. Aber ich bin immer
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