Historical Band 298
„Du bist zu alt, um noch Jungfrau zu sein.“
Sie konnte Hawys nicht in die Augen sehen, sonst wäre sie in ein verzweifeltes Gelächter ausgebrochen. Ein leises, raues Prusten kaschierte sie rasch als Hustenanfall.
Duncan hatte es trotzdem gehört. „Was ist daran so komisch? Bist du nicht Manns genug?“
Sie räusperte sich, warf sich in die Brust und stellte ein Bein auf das Bett. Dabei drehte sie sich von ihm weg, damit er nicht sehen konnte, dass ihr falscher botellus aus Leinen ziemlich schlaff herunterhing. „Natürlich bin ich das. Aber ich brauche dabei keine Zuschauer.“
Duncan ließ den Kopf hängen, als würde ihm plötzlich klar, was er tat. „Ich habe sie zwar bezahlt, aber nimm dir nicht die ganze Nacht Zeit.“ Er zog sich zurück und knallte die Tür zu.
Sie und Hawys sahen sich an. Jane warf ihr ein Kissen zu, während sie selbst ihr Gesicht auf die Matratze presste, um ihr Gelächter zu ersticken. Nachdem das Lachen verstummte, überkam sie mit einem Mal ein hemmungsloses Schluchzen.
Hawys setzte sich neben sie und legte ihr einen Arm um die Schulter. „Du Arme. So hast du es dir nicht vorgestellt, als du mit dieser ganzen Geschichte anfingst, wie?“
Jane schüttelte den Kopf. „Manchmal ist er ein abscheulicher Rohling.“
„Aber du liebst ihn.“
Sie schüttelte protestierend den Kopf, doch die Tränen flossen weiter.
Nein, sie liebte ihn nicht. Sie durfte ihn nicht lieben. „Er ist es nicht wert.“
Hawys schüttelte den Kopf. „Wenige sind es wert. Er ist kein schlechter Kerl. Aber er hat seine Dämonen. Und einige davon haben mit dir zu tun.“
Jane schniefte und rieb sich mit dem Ärmel die Nase. „Mit mir?“
„Er empfindet etwas für dich, und das macht ihn verrückt. Als er zu mir kam, murmelte etwas davon, dass er kein Sodomit sei.“
Jane erschauerte. Nur mit ihrem eigenen Kummer beschäftigt, war sie gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass es ihm zu schaffen machen könnte, für den Jungen John mehr zu empfinden, als er sollte. „Dann war er also die letzte Nacht bei dir?“ Die Vorstellung rief ein flaues Gefühl in ihrem Magen hervor.
„Na ja, nicht so ganz, wenn du weißt, was ich meine. Er war betrunken, als er zu mir kam, und schlief sofort ein. Hat mich nicht angerührt.“ Sie grinste. „Ich sagte ihm später, er wäre ein richtiger Hengst gewesen. Das erzähle ich allen.“
Jane atmete auf. „Gott sei Dank, dass du es warst, Hawys. Übrigens, hat dein Bruder sich schon auf den Weg gemacht?“ Ihre Familie erschien ihr unvorstellbar weit weg. Und unendlich kostbar.
Hawys schüttelte den Kopf. „Er hat noch auf dem Jahrmarkt zu tun. Wahrscheinlich wird er morgen aufbrechen.“
„Ich danke dir.“ Sie sah sich in der Kammer um und versuchte nachzudenken. Wie würde sich ein junger Mann in seiner ersten Liebesnacht verhalten? „Hawys, du musst mir noch einmal helfen. Was kann ich tun, um ihn davon zu überzeugen, dass diese Nacht mein Leben verändert hat?“
„Du willst das Ganze durchziehen?“
„Was soll ich denn sonst tun? Wenn er merkt …“ Nicht auszudenken, was das für Folgen hätte!
Hawys seufzte. „Ich verstehe. Na ja, man hat schon Schlimmeres von mir verlangt. Ich glaube nicht, dass er allzu viele Fragen stellen wird. Aber du kannst diese Verkleidung nicht ewig aufrechterhalten.“
„Doch. Kann ich.“ Solange sie John war, konnte sie bei Duncan bleiben.
Hawys schüttelte den Kopf. Dann stand sie auf, riss die Decke vom Bett und warf sie auf den Boden. „Wenn ich vor Lust schreie, musst du keuchen und stöhnen.“
Jane grinste. „Laut genug, damit er es hört.“
Duncan erwachte erst, als John ihn an der Schulter rüttelte. Es war schon heller Tag, und er hatte den Frühgottesdienst verschlafen.
Weiches Morgenlicht erfüllte den Gemeinschaftsraum, wo er gestern Nacht seinen Kopf auf den Tisch gelegt und bis jetzt nicht wieder gehoben hatte. Die Studenten mussten auf dem Weg zu ihren Vorlesungen auf Zehenspitzen an ihm vorbeigeschlichen sein.
Der Teufel sollte sie holen, weil sie ihn hatten schlafen lassen.
Er versuchte sich aufzurichten, aber sein Magen rebellierte, und er schloss wieder die Augen. Er stöhnte laut, als ihm die Ereignisse der letzten Nacht wieder einfielen. Wie er versucht hatte, seine Ängste bei der Frau zu vergessen. Wie er sie hierher gebracht und dann zu John in die Kammer gestoßen hatte.
Vorsichtig öffnete er erneut die Augen und blinzelte den Jungen an. Little John sah nicht aus, als
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