Historical Band 298
„Glaubst du denn, wir können es uns aussuchen, was wir im Leben sein wollen, es herauspicken wie auf dem Gemüsemarkt? Du bist eine Frau, weil Gott es so will, nicht zu deinem eigenen Vergnügen.“
Ihre Wangen glühten. „Dann hat er uns übel mitgespielt. Ich habe es ja versucht, aber ich bin nicht gut im Nähen und Tanzen und darin, mich um andere zu kümmern.“ Ihrer Erfahrung nach nahm das die meiste Zeit einer Frau in Anspruch. Die stickige Luft der Wochenbettkammer schien noch immer ihre Lungen zu füllen. Sie atmete tief durch, und bevor er sie unterbrechen konnte, brachen die Worte aus ihr heraus, die gesagt werden mussten. „Ja, ich atme. Und mit jedem Atemzug will ich etwas anderes. Will mehr. Irgendein anderes Leben.“
Während ihre Stimme lauter wurde, schien er immer ruhiger zu werden. Er streckte eine Hand aus. Vor ein paar Tagen noch hätte er sie in den Arm geknufft oder ihr scherzhaft einen Schlag versetzt. Jetzt strich er ihr über die Wangen, Zärtlichkeit in den Fingern, in seinem Blick. „Was willst du, Little Jane? Was ist das für ein anderes Leben, für das du so brennst?“
Sie öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. Bis vor Kurzem hatte sie geglaubt, sie wollte am Hof des Königs leben. Oder reisen, um die Welt kennenzulernen. Aber das war es nicht, was sie jetzt antrieb. „Ich möchte frei sein“, sagte sie schließlich.
„Aber das bist du doch! Schön und frei, von vornehmer Geburt und Herkunft. Sogar ich merke das.“
„Ihr glaubt, ich sei frei, weil ich keine Leibeigene bin. Aber das Leben einer Frau ist voller Pflichten und Aufgaben. Alles wird vorgeschrieben und erwartet. Ich will die Freiheit, die ein Mann genießt!“
Ein trauriger Ausdruck trat in seine Augen. „Ach, Little Jane. Hast du denn in der ganzen Zeit, die du mit uns zusammen warst, nicht gelernt, welche Unmenge von Pflichten ein Mann zu erfüllen hat?“
„Das ist etwas anderes“, gab sie scharf zurück. Aber sie war sich nicht mehr ganz so sicher. „Schaut doch uns beide an. Ihr kennt mich besser als irgendjemand sonst.“ Eine überraschende Wahrheit, über die sie lieber nicht nachdenken wollte. „Aber jetzt, da Ihr wisst, dass ich eine Frau bin, wollt Ihr nicht länger mit mir über Philosophie reden. Ihr denkt, jetzt ist alles anderes.“
„Alles ist anders. Du bist anders!“
Sie holte tief Luft. Je mehr sie sich aufregte, desto weiblicher klang sie. Also bemühte sie sich, mit Johns Stimme zu sprechen. „Das liegt nur daran, dass Ihr mich jetzt mit anderen Augen seht. Erinnert Ihr Euch, wie wir uns das erste Mal trafen?“
Die Erinnerung an den Jungen am Straßenrand ließ sie beide lächeln. Jane kam es allerdings vor, als läge in seinem Lächeln eine gewisse Schwermut. Er hätte sie nie aufgelesen, wenn er alles gewusst hätte.
„So weit ich mich erinnere, bist du mit dem Hintern im Dreck gelandet.“
„Und Ihr wart wütend, weil ich Euch für ungebildet hielt.“
„Wegen meiner Sprache und wegen des Landes, aus dem ich komme.“
„Und jetzt begeht Ihr den gleichen Fehler. Ihr beurteilt mich danach, wie Eurer Meinung nach eine Frau zu sein hat, und nicht so, wie Ihr Little John kennengelernt habt. Das ist auch nicht besser als mein Urteil damals über Euch.“
Sein Blick verriet, dass er sich geschlagen gab. „Ich muss zugeben, du hast mehr Verstand als die meisten Frauen.“
Sie lächelte. „Dann kann ich also meine Disputation halten?“
Er seufzte. „Wenn du zugibst, dass ein Mann auch nicht frei ist.“
Sie runzelte die Stirn. „Freier als eine Frau!“
„Auf eine andere Art frei.“
Aufmerksam betrachtete sie sein lächelndes und doch ernsthaftes Gesicht. Duncan wurde von unsichtbaren Lasten niedergedrückt und war vermutlich weniger frei als sie. Die Zukunft der Herberge, die Entscheidung des Parlaments, selbst die Gefangenschaft seines Vaters lasteten auf seinen Schultern. Das Leben hatte ihm alle möglichen Pflichten aufgebürdet, und er hatte jede einzelne angenommen, ohne auf den Gedanken zu kommen, dass er ablehnen könnte. Und trotzdem der Mann bliebe, der er sein wollte.
Es waren nicht die Erwartungen anderer, die Duncans Leben beherrschten. Es waren seine eigenen.
„Einverstanden“, flüsterte sie und streckte die Hand aus. Dabei fragte sie sich, ob sie je ein solcher Mann hätte sein können wie er.
Als ihre Hand sicher und fest in seiner lag, fühlte sie eine andere Art der Nähe.
Eine, die nur eine Frau zu fühlen vermochte.
Ihre
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