Historical Band 303
Augen des Jungen waren blutunterlaufen, als hätte er überhaupt nicht geschlafen. Mehrmals hatte sie ihm etwas zu essen und zu trinken gebracht und auch eine Decke für die Nacht. Aber Dougals Gesicht blieb hasserfüllt. Als er jetzt an ihr vorüberging, rempelte er sie bewusst an und stieß sie beiseite. Nairna erschrak so sehr über sein barsches Benehmen, dass es ihr die Sprache verschlug. Dann war er auch schon verschwunden.
Sie rieb sich die Schulter. Einer der anderen Jugendlichen kam zu ihr. „Er hat dir doch nicht wehgetan, oder?“
Nairna schüttelte der Kopf. „Er ist wohl noch wütend auf mich, weil ich Brams Anordnung befolgte.“
„Er mag niemanden. Und ihn mag auch niemand.“ Der junge Mann zuckte die Schulter. „Eines Tages wird es ihn in einer Schlacht den Kopf kosten.“
Nairna blinzelte verblüfft bei dieser lässigen Feststellung. „Ich hoffe nicht.“ Aber noch nie hatte sie einen Menschen gesehen, der so voll unterdrückter Wut war. Es war beunruhigend, und sie fragte sich, ob überhaupt einer jemals versucht hatte, mit Dougal zu reden.
„Mach dir nichts draus.“ Der junge Mann, dessen Name Monroe war, wie sie erfahren hatte, wandte sich wieder zum Gehen.
Aber Nairna hielt ihn auf. Sie wollte mehr wissen. „War er schon immer so?“
„Es wurde schlimmer mit ihm, nachdem die Frauen fort waren.“
„Sie müssen zurückkommen. Ohne sie ist der Clan verloren.“ Ihr kam in den Sinn, dass sie eigentlich die Frauen bitten könnte, zurückzukommen. Sie war in einer besseren Position als die Männer. Sie konnte den wahren Grund für den Weggang der Frauen herausfinden und alles tun, um sie zurückzuholen.
„Ich gehe zu ihnen“, sagte sie plötzlich. „Und hole sie wieder her.“
„Ich glaube nicht, dass sie kommen werden“, antwortete Monroe. „Lady Grizel, Alex’ Mutter, setzt keinen Fuß mehr in die Burg. Das sagte sie jedenfalls. Und wenn sie nicht kommt, kommen die anderen auch nicht.“
„Fragen kostet nichts.“
Monroe warf ihr einen ungläubigen Blick zu. „Du kennst Lady Grizel nicht, oder?“ Er gab sich erst gar keine Mühe, seinen abfälligen Ton zu verschleiern.
Nairna überhörte seinen Sarkasmus. „Ich brauche eine Begleitung und Proviant. Kannst du mir eine Eskorte zusammenstellen? Morgen früh brechen wir auf.“
„Ich kann mal fragen. Aber bei Lord Locharr sind die Frauen und Kinder sicherer als hier“, gab Monroe zu bedenken. „Seine Burg ist solider als Glen Arrin es je sein wird.“
„Meinst du nicht, dass Alex das vielleicht ändern will?“ Sie hielt den Anführer der MacKinlochs für einen ehrgeizigen Mann. „Aus Glen Arrin kann man doch mehr machen.“
„Das wird nie geschehen“, sagte Monroe. „Der Clan ist zu zerstritten. Bram hätte Chief werden sollen, aber der will jetzt nicht mehr. Irgendwie ist er zu schwach.“
„Er ist nicht zu schwach!“, schoss Nairna zurück. „In ein paar Wochen ist er so stark wie irgendeiner von euch.“
„Wenn er zurückkommt.“ Damit nickte Monroe ihr zum Abschied zu und ging.
Nairna lief es eiskalt den Rücken hinunter. Er wird zurückkommen, versuchte sie sich zu beruhigen.
Er muss zurückkommen.
10. KAPITEL
B ram beobachtete aus dem Schatten heraus die englischen Soldaten, die in der Garnison patrouillierten. Er kannte ihre Gesichter, besonders die der Männer, welche die Gefangenen bewachten. Einige waren gleichgültig den Gefangenen gegenüber und folgten nur ihren Befehlen. Andere genossen es, die Menschen zu foltern, die in Ketten lagen.
Er umklammerte die Armbrust, die Alex ihm gegeben hatte. Auch wenn er lieber Mann gegen Mann gekämpft hätte, war es in Anbetracht seiner Lage klüger, hier zu warten.
Er hatte Alex und Ross zu der schlecht aufgeschichteten Stelle in der Mauer hinter der Burg geführt. Wilder Wein und Gebüsch überwucherten die Mauer und verbargen die losen Steine vor den Blicken der Soldaten. Die nächste halbe Stunde verbrachten sie damit, still und heimlich die Steine zu entfernen, bis die Öffnung groß genug war, dass ein Mann hindurchkriechen konnte.
Bram hatte hinter den Ranken des wilden Weins Stellung bezogen, die geladene Armbrust in der Hand. Mit etwas Glück würden sie alle Gefangenen und Callum befreien können und das entstehende Chaos zur Flucht nutzen.
Sein Bruder und Ross waren dabei, sich in die Burg zu schleichen. Die Zeit verging. Bram betrachtete die Kalksteinmauer und dachte daran, wie er Tag für Tag diese Steine aufeinander geschichtet
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