Historical Band 303
hatte. Es war Knochenarbeit gewesen, und sie wurde schweigend getan. Nur manchmal brüllte ein Soldat ein Kommando oder hieb einem Gefangenen mit dem Kampfstab auf die Schulter.
Er verlor Alex und Ross aus den Augen. Sie verschwanden mit den anderen im Schatten. Nahe dem inneren Hof lagen die Überreste einer Mauer, die nicht fertiggestellt wurde. Der Earl besaß etliche Burgen in ganz Schottland, und an vielen von ihnen hatte Bram mitgebaut, bevor er und die anderen Gefangenen dann nach Cairnross gebracht wurden.
Wären sie ein paar Stunden früher gekommen, hätten sie die Gefangenen an der Mauer arbeiten gesehen. Jetzt waren die Männer wahrscheinlich in den unterirdischen Kerkern und versuchten, ein, zwei Stunden zu schlafen. Der unterirdische Keller war nicht hoch genug, um darin zu stehen. Die Erinnerung an ihn weckte erneut Schmerzen in Brams Nacken und Schultern.
Sein Blick wurde von der Öffnung im Boden angezogen, und es war, als würde er durch Wasser sehen. Die Bilder verzerrten sich, und alle Laute wurden gedämpft. Und während er die geladene Armbrust fest umklammerte, spürte er, wie sein Geist von der Gegenwart in die Vergangenheit glitt.
Die Narben an seinem Hals juckten, und der Schweiß rann ihm in Bächen hinunter zum Schlüsselbein. Die Gerüche der Garnison brachten ihm die Jahre seiner Gefangenschaft zurück. Wenn ein Soldat an ihm vorbeiging, hielt er den Atem an.
Wieder konnte er den Schnitt des Dolchs in seinem Fleisch spüren, das Blut schmecken, als sie ihm Kinnhaken versetzten und dabei brüllend seine Schwäche verhöhnten.
Wo war Callum? Er reckte den Hals und versuchte ihn irgendwo zu entdecken. Am liebsten hätte er sofort seine Stellung verlassen, die anderen aus der Gefangenschaft befreit und seinen Bruder der Finsternis entrissen.
Wieder stiegen Bruchstücke seiner Erinnerungen in ihm auf. Die Zeit verging, und es gab immer noch kein Zeichen von Callum. Als hätte er sich in Luft aufgelöst! Brams Finger am Abzug zitterte. Mit der kleinsten Bewegung konnte er einen der englischen Soldaten töten, die sie bedrohten.
Da nahm einer von ihnen eine Fackel und machte sich auf den Weg zum Eingang des unterirdischen Kerkers. Was hatte er vor?
Kurz entschlossen schoss Bram den Bolzen ab. Er traf die Steinmauer neben dem Soldaten und prallte von dort ab. Ein klarer Fehlschuss. Im gleichen Augenblick ließ der Mann die Fackel fallen. Er zog sein Schwert und stürmte in Brams Richtung, während er gleichzeitig den anderen eine Warnung zurief.
Bram ließ die Armbrust fallen und griff nach dem Breitschwert. Aber seine Hände schienen am Griff wie festgefroren, und seine Arme fühlten sich schwer wie Stein an. Unmöglich, sie zu bewegen.
Bram sah in die Augen des Soldaten, der ihn und seinen Bruder gefoltert hatte. Ihm wurde schlecht. Als der Soldat das Schwert zum Todesstreich hob, schaffte es Bram endlich, sein Schwert zu heben. Er konnte den Schlag kaum abwehren, der auf ihn niederfuhr, und stolperte wie ein Kind.
Eine Stimme in seinem Kopf brüllte, er sollte zurückschlagen und um das Leben seines Bruders kämpfen. Aber seine Arme bewegten sich zu langsam. Er brach zusammen. Bram war der Verzweiflung nahe. Mussten ihn ausgerechnet jetzt seine Kräfte verlassen, wo er es doch schon bis hierher geschafft hatte?
Beweg dich, verdammt nochmal. Aber er hatte einfach nicht genug Kraft. Er war wirklich tief gefallen. Großer Gott, was war nur aus ihm geworden? Er war ein schlechter Kämpfer geworden. Die Scham brannte in ihm. Im letzten Moment tauchte Alex auf und schlug den Soldaten nieder.
Sein Bruder starrte ihn an, als würde er ihn nicht länger kennen. „Es war ein Fehler, dass du mitgekommen bist.“
Bram wusste es selbst. Also sagte er nichts und erwiderte nur Alex’ Blick. Er war so dumm gewesen zu glauben, sein Zorn würde ihm schon genügend Kraft verleihen.
Er griff nach seiner Armbrust, aber Alex hielt ihn zurück und reichte ihm stattdessen einen Schild. „Geh zurück zu den Pferden und warte dort auf uns. Ross ist nach unten gegangen, die anderen zu befreien. Aber Callum ist nicht bei ihnen. Er ist fort.“
Die Worte trafen Bram wie ein Faustschlag. Waren sie zu spät gekommen? War sein Bruder bereits tot?
Das Gebrüll der anderen Gefangenen, die um ihre Freiheit kämpften, hallte durch die Nacht. Einer ergriff eine Fackel und setzte mit ihr eine Hütte in Brand. Flammen und schwarzer Rauch stiegen in den nächtlichen Himmel, während alle zu den Toren rannten.
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