Historical Band 303
guter Schütze sein, wo er doch so lange eingesperrt war? Das ergab keinen Sinn.
Doch der Blick, den er Marguerite zuwarf, enthielt das stumme Versprechen, dass ihr nichts zustoßen würde. Er würde es nicht zulassen. Das sanfte Lächeln, das Marguerite ihm schenkte, bevor sie zwischen den Bäumen verschwand, berührte ihr Herz.
Noch mehr Feinde tauchten auf. Dougal stieß einen Warnschrei aus. Auch er versuchte, einen Pfeil abzuschießen, doch der traf den Boden. Zitternd hob Nairna die Armbrust. Sie hatte noch nie einen Menschen getötet und betete jetzt, dass sie es auch nicht tun musste.
Die mit Speeren bewaffneten Soldaten rückten näher. Sie brüllten nach ihren Kameraden. Aber auch jetzt brachen die Männer unter Callums Pfeilen zusammen. Einige von ihnen stürzten dabei in den Graben.
Laren trug ihre Kinder durchs Wasser und übernahm dann die zweite Gruppe der Frauen. Sie verschwanden im Wald. Nairna betete stumm, dass ihre Flucht gelang.
Ungefähr ein Dutzend Frauen waren noch übrig. Der Turm drohte jetzt einzustürzen, das Holz ächzte und knarrte. Nairna legte ihre Armbrust bei Dougal ab und kletterte zurück in den Graben. Sie half einer der Mütter, einen dreijährigen Jungen hochzuheben, und trieb die anderen zur Eile an.
Bram und Alex stürmten um die Ecke. Brams Hände waren blutbeschmiert. Sie wusste nicht, ob es sein Blut war oder das eines Soldaten, aber sie war ungeheuer erleichtert, ihn zu sehen. Rasch reichte sie ein weiteres Kind an seine Mutter weiter, die schon ans Ufer geklettert war. Die restlichen Frauen waren jetzt auch am Ufer. Bram sprang ins Wasser und half Nairna hinaus. Kaum war er aus dem Graben gestiegen, zog er sie an sich.
Sie zitterte vor Kälte, aber in seinen Armen war es leichter zu ertragen. Gerade, als sie sich an ihn klammerte, stürzte der Turm in sich zusammen.
„Callum, ins Wasser!“ Es war ihr Mann, der die Warnung brüllte, und sein Bruder warf sich in den Wassergraben. Er tauchte unter, als hinter ihm der Holzturm zusammenkrachte. In dem Moment tauchte Marguerite zwischen den Bäumen auf, aber Nairna winkte sie zurück.
„Ihm ist nichts passiert. Bring die Frauen zur Hügelkuppe. Ich schicke ihn bald zu dir.“
Marguerite warf einen besorgten Blick auf Callum, aber sie ging in den Wald zurück und eilte mit dem Rest der MacKinlochs davon.
Bram half seinem Bruder aus dem Wasser. Nairna drehte sich zu Dougal um. Der junge Mann hatte zwar einen Pfeil auf seinen Bogen gelegt, aber ihm war anzusehen, dass er Angst hatte. „Nimm deinen Bogen und folge den Frauen“, befahl Nairna ihm. „Wir kommen gleich nach.“
Doch noch bevor er verschwinden konnte, strömten von beiden Seiten Soldaten herbei. Ein Bogenschütze konnte noch einige Pfeile in Richtung Wald schießen, bevor Callum ihn tötete.
Nairna schrie Bram und Alex eine Warnung zu, und sie teilten sich auf, zum Kampf bereit, und stellten sich dem Feind. Als sie sah, wie einer der Soldaten sein Schwert über Brams Kopf schwang, blieb ihr fast das Herz stehen. Sie riss die Armbrust an sich und rannte laut schreiend zu ihrem Mann. Verzweifelt schoss sie, aber der Bolzen traf einen anderen Mann.
Bram duckte sich unter dem Angreifer weg und spießte ihn mit seinem Schwert auf. Doch der Feind war in der Überzahl. Nairna begriff, dass sie den Angriff nicht überleben würde. Diese Männer würden kein Mitleid zeigen, nicht nach dem, was geschehen war.
Sie erreichte Bram und half ihm aufzustehen. Er hielt sein Schwert erhoben, aber die Soldaten rückten nur langsam näher und warteten auf den Befehl, sie zu töten. Nairna legte die Arme um Bram, als könnte sie so die letzten gemeinsamen Augenblicke festhalten.
Callum hielt seinen Bogen schussbereit. Seine Augen blickten glasig, als würde er die Soldaten nicht wirklich sehen. Er rührte sich nicht, noch sagte er etwas.
Auf der rechten Seite tauchte Lord Harkirk hoch zu Ross auf, von links kam Lord Cairnross. Bram nahm Nairna fester in die Arme. „Wenn ich es sage, möchte ich, dass du so schnell du kannst zu den anderen läufst“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Ich halte sie so lange wie möglich auf, damit du flüchten kannst.“
Mit anderen Worten: Er wollte sein Leben opfern für sie. Nairna liefen die Tränen über die Wangen, und sie barg das Gesicht in seiner Tunika. „Wenn ich das tue, Bram, führe ich die Soldaten zu den anderen Frauen. Sie überleben nur, wenn ich hierbleibe.“
Stumm hielt er sie lange Zeit fest in den Armen, während
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