Historical Collection 04
an. „Ich reise ab, Rose.“
Sie fand nicht, dass dies ein Grund zum Lächeln war. Ein flaues Gefühl breitete sich in ihrer Magengrube aus. „Du reist ab? Wohin? Warum?“ Rose setzte sich im Bett auf und schob ihr zerzaustes Haar aus dem Gesicht.
„Ich kann das Kartell nicht von hier aus in Gang bringen.“ Er zog sich ein Leinenhemd über, in dem er elegant und kultiviert aussah. Rose merkte jetzt deutlich, dass er sich die ganze Zeit unter seiner Würde gekleidet hatte, seit er bei ihr angekommen war. So wird es von jetzt an immer sein, dachte sie. Er kehrt dorthin zurück, wo er seinem gesellschaftlichen Rang entsprechend hingehört, und ich bleibe hier. Kein Wort über Pläne mit ihr.
Er schlüpfte in das Jackett, in dem er gekommen war, und zog die Jagdstiefel über. Mit jeder seiner Handlungen kamen sie dem Abschied näher. Rose konnte kaum noch atmen. Sie hatte ja gewusst, dass er irgendwann gehen würde, es war ihr nur nie bewusst gewesen, wie weh es tun würde. Er klappte die Reisetasche zu und trat zum Bett, um ihr einen raschen Kuss auf die Wange zu geben. „Alles wird gut. Du wirst schon sehen.“
Für ihr Empfinden war er viel zu fröhlich. Er könnte doch wenigstens ein kleines bisschen betrübt aussehen. Rose konnte nur noch traurig nicken. „Pass auf dich auf“, sagte sie mühsam mit heiserer Stimme. Er sollte ihre Tränen nicht sehen, sonst würde er seine Zeit mit ihr noch bereuen. Er sollte nicht ihren Kummer in Erinnerung behalten.
Schon war er draußen und stieg die Treppe hinab. Rose hörte die Haustür hinter ihm zufallen und eilte zum Fenster. Sie musste ihre Qual noch ein bisschen verlängern und bei seiner Abfahrt zuschauen, darum zog sie die Spitzengardine zurück. Er schirrte das Pferd an und warf seine Reisetasche auf den Gig, bevor er sich auf den Sitz schwang. Noch ein Zügelklatschen, dann war er fort.
Rose seufzte tief, von ihrem Atem beschlug das Fensterglas. Sie hatte nur eine schöne, neue Erfahrung mit diesem Mann gesucht. Aber er hatte ihr das Herz gestohlen.
14. KAPITEL
S ie konnte Killian Redbourne nicht vertreiben – nicht aus ihren Gedanken, nicht aus ihrem Haus oder von ihrem Land. Wohin sie auch schaute, mit allem waren Erinnerungen an ihn verknüpft. Es konnten Gegenstände sein – wie der Esstisch, an dem sie ihr erstes gemeinsames Dinner eingenommen hatten – oder ein plötzlicher Nachhall von etwas, das er gesagt hatte; von Dingen, die sie zusammen getan hatten. Selbst in den Obstgärten war sie nicht sicher davor. Er war einfach überall.
Nachdem sie drei Tage lang mit mäßigem Erfolg versucht hatte, die Apfelpresse für die alljährliche Herstellung des Ciders vorzubereiten, gab sie auf und erfand eine Ausrede, um mit ihrem alten Pferdewagen nach Pembridge Hall zu fahren. Sie kleidete sich sorgfältig, aber andererseits wollte sie nicht herausgeputzt wirken, wenn sie einen alltäglichen Besuch bei einem Nachbarn machte. Killian sollte nicht denken, dass sie ihm nachtrauerte oder schmollte oder sich wegen seiner Abwesenheit grämte.
Sie lud zwei kleine Fässchen voll Cider hinten auf den Wagen und machte sich unter dem fadenscheinigen Vorwand auf den Weg, dass sie ihn noch nicht für seine Arbeit in den Obstgärten entlohnt hatte. Obwohl er als Earl natürlich keine Bezahlung brauchte. Aber vielleicht verstand er es als nette Geste.
Pembridge Hall war ein monströses Gebäude von riesigen Ausmaßen, das auf Besucher einschüchternd wirkte. So hatte es dem alten Earl gefallen. Er wollte die Leute entmutigen, damit sie erkannten, wie bedeutend er war. Er war ein mageres kleines Männchen gewesen, das fast nur aus Haut und Knochen bestand, und da seine Gestalt so wenig Furcht einflößend war, hatte er einen anderen Weg gewählt, um andere zu verunsichern. Pembridge Hall war der Beweis dafür.
Rose nahm ihren Mut zusammen und klopfte an die Tür. Ein pedantisch aussehender Butler öffnete, an den sie sich vage von früheren Besuchen zu offiziellen Anlässen erinnerte. „Ich bin Mrs Janeway. Ich möchte gern den Earl sprechen.“
„Wenn Sie bitte hier entlang kommen möchten.“ Das ist doch wenigstens etwas, dachte Rose, als sie dem Diener folgte. Man hatte sie nicht nur nicht abgewiesen, sondern sogar hereingebeten. Also hatte Killian nicht vor, sie zu ignorieren.
Der Butler führte sie in einen kleinen Salon, der in verschiedenen Gelbtönen ausgestattet war, und sie nahm mit steigender Zuversicht Platz, weil sie so höflich empfangen
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