Historical Collection Band 01
sollten. Solange meine Mutter noch lebte, gelang es ihr stets, ihm seine verwegenen Vorhaben auszureden, aber sie ist vor fünf Jahren gestorben und seitdem … nun, lass mich nur sagen, dass er nicht geneigt war, auf meine Ratschläge zu hören.“
„Du erwähntest eben einen Bruder … gewiss konnte er doch Einfluss geltend machen?“, fragte Ewan, während er sich neben ihr niederließ.
Isabella lächelte wehmütig. „Robin und ich sind Zwillinge. Ich liebe ihn von Herzen. Im Aussehen ähneln wir uns sehr, weniger aber vom Wesen her. Als Kind hatte er ein rheumatisches Fieber, das sein Herz schwächte. Seine Veranlagung zusammen mit seiner delikaten Konstitution machen ihn noch weltfremder als meinen Vater.“
„Sodass die Sorge für beide auf dir lastet?“
„Nicht mehr. Robin ist seit letztem Jahr verheiratet, mit Pamela, die ihn innig liebt und hingebungsvoll für ihn sorgt. Vater setzte ihnen als Hochzeitsgabe eine Rente aus, und sie zogen aufs Land. Sie sind sehr glücklich.“
„So glücklich, dass sie nicht nachfragten, wie euer Vater das finanzierte, nehme ich an“, meinte Ewan trocken.
Erstaunt sah Isabella ihn an. „Richtig. Natürlich war auch das einer von Papas Plänen. Der große Wurf, wie er sagte, der unsere gesamte Zukunft verändern würde. Wie recht er damit hatte!“ Sie schwieg einen Augenblick und starrte ins Leere. Als sie fortfuhr, sprach sie in seltsam leblosem Tonfall, als wenn sie etwas auswendig Gelerntes hersagte. „Er borgte sich einen riesigen Betrag – privat, denn keine Bank hätte ihm etwas gegeben – kaufte Schiffe und spekulierte mit der Fracht, kostbaren Gewürzen und Ähnlichem von den Westindischen Inseln. Ich versuchte alles, um ihn umzustimmen, aber ich konnte ihn nicht davon abbringen. Und je mehr ich redete, desto versessener war er darauf, mir meinen Irrtum zu beweisen. Er stach in See, doch die kleine Flotte wurde von Piraten gekapert, und mein Vater kam dabei ums Leben.“ Tränen glänzten in ihren Augen. „Der arme Papa. So töricht er auch handelte, er wollte nur das Beste für uns.“
Dann richtete sie sich energisch auf und schüttelte den Kopf, als wollte sie unerwünschte Gedanken vertreiben. „Das ist ein paar Monate her. Robin als Erbe erbte auch die Schulden, die nicht einmal durch den Verkauf des Besitzes gedeckt werden konnten. Gott weiß, er hat alles versucht, an die nötigen Mittel zu kommen. Nun bleibt uns noch Zeit bis zum Wochenende, dann ist die Summe fällig, und Robin droht das Schuldgefängnis.“ Sie schluckte und wischte sich ungeduldig eine Träne fort. „Der Arzt hat erklärt, dass Robin die Zustände dort nicht überleben würde. Du siehst also, ich musste einfach etwas tun.“
„Weiß dein Bruder von deinem Vorhaben?“, fragte Ewan scharf.
„Nein, natürlich nicht! Ich werde ihm irgendein Märchen erzählen. Keine Sorge.“
„Er hat dich nicht verdient“, sagte Ewan, in seinen Zorn über ihren Bruder mischte sich ein Hauch Schuld. Die Belle, die er hier sah, ungeschminkt und mit ungepudertem Haar, wirkte viel jünger und unschuldiger, als er sie gestern Abend eingeschätzt hatte.
„Du wirst nicht über meinen Bruder urteilen“, sagte sie heftig. „Du kennst ihn nicht. Und auch über mich wirst du dir kein Urteil erlauben!“
Ewan entwaffnete sie, indem er ihre Hand küsste. „Es fiele mir nicht im Traum ein, dich zu verurteilen. Ich bewundere dich zutiefst, Belle. Eher verurteile ich mich.“
„Falls dich das bekümmert – ich bereue die vergangene Nacht nicht, und das sagte ich dir schon einmal.“ Sie wollte nicht, dass er ihre Motive näher erforschte, denn dazu war noch nicht einmal sie selbst bereit. Herausfordernd schaute sie ihn an. „Bereust du es?“
Hier zumindest befand er sich auf sicherem Grund. Er lächelte. „Nicht, wenn du es nicht bereust. Auf den ersten Blick wusste ich, dass wir einander Freude schenken würden.“
Röte stieg ihr in die Wangen. „Mach dich nicht lächerlich.“
„Nun komm, Belle, dir ging es doch genauso, gib es zu.“
Sie schüttelte den Kopf, wandte sich jedoch ab, um ihr Lächeln zu verbergen. „Nun versuchst du schon zum zweiten Mal, mir dieses Eingeständnis zu entlocken. Nein, es ging mir um dein Geld; das machte dich für mich attraktiv.“
Sacht legte er einen Finger an ihr rosige Ohrmuschel und flüsterte mit heiserer Stimme: „Du wolltest mich genauso sehr, wie ich dich begehrte. Deine Küsse haben dich verraten.“ Seinen Mund an dem ihren, raunte
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