HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
zusammengehockt und redeten leise. Ja, der Anblick der von den Kikuyu niedergemetzelten Karawane hatte sie verstört. Cameron war nicht überrascht, als Kidogo, ein etwa dreißigjähriger Askari, aufstand, sich von seinen Landsleuten löste und langsam zu ihm kam. „Was gibt es?“, erkundigte er sich, obwohl er die Antwort ahnte.
Kidogo schaute zu den Kameraden zurück. „Ich soll mit dir reden, Bwana. Das ist ein böses Land. Wir sollten nicht hier sein.“
„Mit anderen Worten, ihr habt Angst“, erwiderte Cameron scharf. „Wahrscheinlich seid ihr alle Feiglinge.“
„Nein, das sind wir nicht“, entgegnete Kidogo im Ton gekränkter Würde. „Aber wir sind auch keine Dummköpfe. Wenn wir nicht umkehren, werden wir alle sterben.“
„Dir ist klar, dass ihr den Rest des versprochenen Soldes nicht erhaltet, falls ihr mich jetzt verlasst.“
„Dann retten wir zumindest unser Leben, Bwana.“
„Und was ist mit dem Leben meiner Tochter?“
Kidogo zuckte mit den Schultern. „Für sie macht es keinen Unterschied, ob wir verdurstet oder durch die Speere der Kikuyu getötet worden sind. Sie ist nur ein Mädchen, Bwana. Deine Sahiba ist jung und kräftig. Sie wird dir andere Kinder gebären. Beim nächsten Mal vielleicht sogar einen Sohn.“
Cameron unterdrückte den aufwallenden Ärger und sagte sich, dass der Askari ihn nicht hatte kränken wollen. Seine Äußerungen entsprangen der fatalistischen Mentalität der Swahili. „Richte den Männern aus, dass ich ihren Lohn verdoppele!“, sagte er finster, obwohl er wusste, dass seine Ersparnisse kaum reichen würden, um das Versprechen halten zu können.
Kidogo schüttelte den Kopf. „Ein Toter kann mit Geld nichts mehr anfangen, Bwana. Wir wollen nicht umkommen!“
Cameron schaute über die mondhelle Landschaft zu der sich dunkel vom Himmel abhebenden zerklüfteten Silhouette des Kenia, dachte an das wenige Stunden zuvor miterlebte scheußliche Bild des Massakers, an die Gattin und das Risiko für ihre Sicherheit sowie an die geraubte Tochter, und hatte das Gefühl, ihm würde das Herz zerrissen. Ja, es sprach viel dafür, nach Mombasa umzukehren. Den Weg zum Tana zurückzufinden, war leicht. Dann würde man seinem Lauf bis zur Küste folgen, in Malindi eine Sambuke mieten und nach Mombasa segeln. Gewiss, alles war ganz einfach, doch die Gemahlin würde nie damit einverstanden sein. Und solange noch die geringste Chance bestand, die Tochter zu retten, war Cameron nicht gewillt, das Unternehmen abzubrechen. Jennifer war auch sein Kind, das er nicht im Stich lassen konnte.
Geduldig harrte Kidogo der Antwort des Bwana.
Cameron hielt den Blick auf den Kenia gerichtet und sagte: „Geh zu deinen Freunden und warne sie, dass ich jeden, der sich zu entfernen versucht, erschießen werde!“
Zwei Tage waren vergangen, seit man die Toten der Karawane gefunden hatte. Von den Kikuyu selbst war nichts zu sehen gewesen, nur hie und da ein Hinweis, dass sie sich in der Gegend aufgehalten hatten. Gelegentlich war man auf noch rauchende Lagerfeuer gestoßen, auf abgenagte Tierknochen und Pfeile mit vergifteten eisernen Spitzen. Die Spannung unter den Swahili war von Stunde zu Stunde gewachsen, denn hinter jeder Anhäufung von Gesteinsbrocken, in jeder Vertiefung des Geländes, konnten Gefahren lauern. Die Träger hatten sich ständig nervös umgeschaut, und die Askaris die Gewehre so nervös schussbereit gehalten, dass Mary oft befürchtete, ein Schuss könne sich aus Versehen lösen.
Cameron hatte kaum geschlafen. Inzwischen hatte er gerötete, blutunterlaufene Augen und eingefallene, von schmutzigen Bartstoppeln bedeckte Wangen. Er antwortete nur einsilbig auf die Fragen der Gattin, gab in barschem Ton den Eingeborenen Befehle und legte nie den Karabiner aus der Hand.
Bedrückt beobachtete Mary ihn. Irgendetwas beunruhigte ihn, eine Sorge, die größer sein musste als die Befürchtungen, die Kikuyu könnten angreifen. Zunächst hatte Mary gehofft, er würde sich ihr anvertrauen, doch mit der Zeit gemerkt, dass er sich mehr und mehr in sich zurückzog.
Die verschneiten Gletscherspalten und Lavahänge des Kenia waren jetzt deutlich zu erkennen. Der Weg stieg aus der Savanne an und wurde von dichtem Gebüsch gesäumt. Es war auch mehr Wild zu sehen. Bartaffen, Bärenpaviane und Stummelaffen tummelten sich in den Bäumen; Jakos, Pirolweber und Honigsauger flatterten durch das Geäst der Sträucher, und im Gras waren die Trampelpfade von Rhinozerossen zu sehen.
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