HISTORICAL EXCLUSIV Band 14
gewesen. Ihren sinnlosen Trotz bedauerte sie schon, obwohl sie keinesfalls an Aufgabe dachte. Vor neun Tagen war sie gekidnappt worden – warum hatten Hayden oder ihr Vater sie noch nicht gefunden? Cameron Shaw sagte doch immer, mit Geld könne man sich Macht kaufen; er hatte doch sicherlich den Khediven aufgesucht, und der politische Führer würde sich gewiss für sie eingesetzt haben. Oder wusste etwa niemand, dass sie sich in Khartum befand?
Draußen auf der Straße rückten die Wächter näher an sie heran. Einige tief verschleierte Frauen wandten den Blick ab, als Victoria vorbeikam. Eine große Gruppe Männer schaute sie lüstern an, rief etwas auf arabisch und wollte ihr folgen, wurde indes von den Wächtern abgedrängt. Der Sklavenhändler hatte nicht übertrieben, als er sagte, viele Männer würden sie begehren. Doch begehrte Hayden sie auch noch, falls er sie je wiederfand?
Bald hielten sie vor einer bewachten Umfriedung an, deren mannshohe Mauer mit Eisenspitzen gespickt war. „Zobeir will, dass sie bis zur Auktion morgen im Pferch bleibt“, sagte der Mann neben Victoria zu dem Posten am Tor. „Wir werden sie hineinbringen.“
„Das ist doch nicht nötig.“
„Zobeir weiß, dass ihr früher schon seine Ware probiert habt. Er will, dass die Frau unberührt bleibt“, lehnte der Beauftragte des Sklavenhändlers den Einwand ab. Das Tor wurde geöffnet.
Die junge Engländerin blickte sich um und sah zu ihrem Erschrecken zu allen Seiten Männer in unterschiedlichster Kleidung – große, kleine, dunkel- und hellhäutige, bärtige sowie glattrasierte Männer. Manche schliefen, doch die meisten standen herum und schauten ihr bei ihrem Gang über den Hof nach.
„Zobeir hat doch vom Frauenpferch gesprochen“, sagte sie nervös zu ihrem Bewacher.
„Es befindet sich hinter dem der Männer, weil das mehr Sicherheit bietet“, erläuterte der Wachmann mürrisch. „Falls es draußen Unruhen gibt, befinden sich die Posten und diese Sklaven hier zwischen der Straße und den Frauen.“
„Hat schon einmal jemand versucht, Zobeirs Frauen zu befreien?“, erkundigte sich Victoria hoffnungsvoll.
„Die Europäer versuchten einmal, eine Auktion zu stören, doch Erfolg hatten sie damit nicht.“
Victoria senkte den Blick, weil sie sich ihre Angst nicht ansehen lassen wollte. Die umherlungernden Männer, die ihre eigene Versteigerung erwarteten, beobachteten jede ihrer Bewegungen und verschlangen ihr weißes Fleisch mit den Blicken. Vor dem inneren Tor blieb sie stehen und suchte nach einer Lücke im Sicherheitssystem. Falls es ihr gelänge, die anderen Frauen auf ihre Seite zu bringen, könnten sie möglicherweise auf dem Weg zum Markt ausbrechen und davonlaufen …
„Ich gebe dir einen guten Rat“, sagte der Anführer ihrer Eskorte. „Tu, was man dir sagt, oder du wirst erfahren, was Schmerz ist. Wenn du deinem Herrn gehorchst, wird dein Leben vielleicht nicht allzu unerträglich.“ Damit gab er ihr einen Stoß in den Rücken, schob sie vorwärts, und das Tor schloss sich hinter ihr.
Der Hof unterschied sich kaum von dem der Männer. Frauen unterschiedlichster Hautfarbe – keine war indessen so hell wie Victoria – gingen ruhelos auf und ab. Die Engländerin war wohl die erste Weiße, die sie zu Gesicht bekamen. Mehrere scharten sich gleich um sie und wollten ihre Haut streicheln; sie zogen sich freilich ängstlich zurück, sobald sie ihre blauen Augen sahen.
„Schon gut, ich bin eine Frau wie ihr“, versicherte Victoria ihnen und streckte ihnen ihre Hand entgegen. Wenn sie diese Frauen davon überzeugen konnte, dass sie alle etwas gemeinsam hatten, bestand vielleicht eine Chance. „Genau wir ihr bin ich gegen meinen Willen hier, doch ich bin nicht bereit, mich verkaufen zu lassen. Wie sieht es mit euch aus?“
Die Frauen wichen vor ihr zurück, blickten die weiße Hexe argwöhnisch an und zeigten nicht, ob sie verstanden hatten. Wieder einmal fühlte sich Victoria mit ihren Zukunftsaussichten allein gelassen.
Zufrieden stellte Jed fest, dass er und Ali eine Menge erfahren hatten, seit sie in der Stadt waren. Am schwersten fiel es ihm, dem verdammten Ägypter das herrische Auftreten abzugewöhnen. Er überlegte schon, ob er Ali Sharouk einfach zurücklassen und allein fliehen sollte, falls die Sache brenzlig wurde, doch so etwas würde er nie tun. Zwar entsprach es nicht seiner Gewohnheit, mit einem Partner zusammenzuarbeiten, doch in dieser Sache waren sie nun einmal zusammen, und Jed
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