HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
wegnehmen, da hat er zugestochen …“ Leon streckte den blutigen Arm aus. „Da habe ich durchgedreht … nach dem, was Lea mir erzählt hatte … wir haben gekämpft …“
„Wo ist er?“, fragte Rafe. Er verspürte keine Trauer über den Tod seines Bruders. Wayne hatte mit seiner Eifersucht und Habgier zu viel Leid über alle gebracht.
„Immer noch im Versteck. Ich fand es so am besten. Wenn die Yankees ihn finden …“
„Ich bin der Meinung, wir sollten ihn dort lassen, bis wir ihn ordnungsgemäß bestatten können. Darauf hat jeder Mensch einen Anspruch, ganz gleich, was für ein Leben er geführt hat.“
„Und ich, Master Rafe?“
„Du hast eine Frau oben, die dich braucht, mein Freund.“ Rafe legte ihm die Hand auf die Schulter. Der Blick zwischen den beiden Männern sagte mehr als tausend Worte. „Geh zu ihr.“
Shanna und Rafe standen Arm in Arm auf der Veranda und sahen erleichtert zu, wie endlich die letzten Soldaten wegritten. Auf dem zertrampelten Rasen lagen Sachen, die sie aus dem Haus geholt, aber dann liegen gelassen hatten: mehrere Kristallkaraffen, Gemälde und ein Orientteppich.
„Leider ist es nicht viel von dem, was die Männer gestohlen haben“, sagte der Major und zügelte sein Pferd vor ihnen. Er hatte nie seinen Namen genannt, auch nicht nach ihren gefragt. Es war, als wolle er nichts über die Unglücklichen wissen, denen er auf dem schrecklichen Marsch begegnete. Er befolgte General Shermans Befehle, bemühte sich jedoch, Milde walten zu lassen, soweit es ihm möglich war. „Wir haben Ihr Getreide und das meiste Vieh konfisziert, aber …“ Er stockte und blickte in die Gesichter der beiden, die ihn feindselig anschauten. „Ich bin trotz des Benehmens meiner Männer nicht ganz ohne Mitgefühl. Ich weiß, dass der kommende Winter für Sie sehr hart wird. Daher habe ich ein halbes Dutzend Schweine, Hühner und mehrere Sack Mehl zurückgelassen. Meine Männer haben genügend Proviant eingesammelt. Die Kerntruppe der Armee dürfte inzwischen kurz vor Savannah sein. Ich glaube nicht, dass Sie nochmals belästigt werden.“
„Sollen wir dafür dankbar sein?“, fuhr Rafe ihn an. Seine Fäuste waren geballt. „Sie lassen uns keine Waffen. Unser Haus ist ein einziges Chaos. Wir haben kaum genug Essen zum Überleben …“
„Sie leben noch“, schnitt ihm der Offizier eisig das Wort ab. „Seien Sie dafür dankbar und für die Lady, die mir ohne nachzudenken eine Kugel in den Kopf geschossen hätte, wenn Sie gestorben wären. Es ist zwar nicht angebracht, Ihnen fröhliche Weihnachten zu wünschen, doch ich wünsche Ihnen ehrlich alles Gute. Das können Sie glauben oder nicht.“
Am Abend saßen sieben erschöpfte Menschen in der Küche. Niemand brachte einen Löffel von der Suppe hinunter, die Hannah noch herbeigezaubert hatte, aber sie tranken Tasse um Tasse mit schwarzem, süßem Kaffee. In zwei oder drei Tagen würde es auch keinen Kaffee mehr geben. Hühner und Schweine waren in einem behelfsmäßigen Pferch eingesperrt. Rafe wollte Balthazar und die anderen Pferde erst morgen oder übermorgen holen lassen, wenn er sicher war, dass sie keine weiteren ungebetenen Gäste bekämen. Alle anderen Pferde hatten die Yankees samt dem Getreide und dem Wintergemüse mitgenommen. Sie hatten sogar den Speck aus den Räucherhäusern geholt, obwohl dieser noch frisch war, ehe sie alle Scheunen und Schober der Plantage in Brand gesteckt hatten. Nur die Sklavenquartiere waren unberührt. Dort wohnten jetzt die Neger, welche geblieben waren. Nach Kräften hatten sie sich bemüht, die Spuren der Verwüstung zu beseitigen. Sie waren ebenso erschöpft wie die Menschen in der Küche.
Tante Lea war nicht mit den Yankees gegangen. Rafe wusste, dass Leon das nie zulassen würde. Deshalb hatte er ihn zu ihr geschickt. Es war ihm gelungen, sie aufzuhalten. Jetzt saß sie stumm und bedrückt neben ihm. Sie trug eines von Shannas warmen Wollkleidern. Shanna hat ihr selbst das Haar gebürstet. Lea hielt Leons Hand fest. Ab und zu flüsterte er ihr etwas ins Ohr. Manchmal gelang ihr ein Lächeln.
Die Zeit wird auch ihre Wunden heilen, dachte Shanna, als sie zu den beiden hinüberschaute. Wie sie selbst hatte auch Tante Lea die Liebe, um sie in den schweren Zeiten zu stützen.
Alexander war über seiner Tasse fast eingeschlafen. Trotz der Behinderung durch die lahmen Beine hatte er wie alle anderen gearbeitet, bis ihn die Kraft verließ und Leon ihn zurück ins Haus tragen musste. Vollkommen
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