HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
zerstören. Wenn es ihm glückt, ist Richmond isoliert. Jetzt bedarf es eines Wunders, ihm Einhalt zu gebieten. Er steht bereits knapp vor Atlanta. Wenn diese Stadt fällt, weiß nur Gott, was er sich als nächstes Ziel vornimmt. Aber Sherman und Sheridan sind vom gleichen Schlag. Beide leben vom Land und zum Teufel mit den armen Leuten, die versuchen zu überleben.“ Jetzt blickte er Shanna an, und seine Züge wurden weicher. „Sie hatten mehr als genug Leid und Schmerz. Abraham hat mir von Ihrem Vater erzählt – und den anderen Verlusten. Hier sind Sie sicher … für den Augenblick.“
Am liebsten hätte er sich wegen der letzten Worte die Zunge abgebissen; denn Shanna war blass geworden. Die kleine Hand mit dem Ring griff nervös ans Herz. Rafe fragte sich, wie der Mann gewesen war, den sie hatte heiraten sollen. Sie sah so jung und zerbrechlich aus; aber nach allem, was er über sie gehört hatte, mussten in dieser zarten Gestalt großer Mut und Zähigkeit wohnen. Jetzt lächelte sie. Was für ein Unterschied! Mit etwas Farbe in den Wangen würde sie ausgesprochen hübsch aussehen.
Finster furchte Rafe die Stirn. Ob sein Bruder bereits versuchte hatte, sie mit seinem Charme in sein Bett zu locken? Shanna war gerade so unschuldig und jung, dass Wayne bestimmt Appetit verspürte. Außerdem vermutete er, dass Shanna dringend eine Schulter zum Anlehnen brauchte, und das war Waynes Spezialität. Irgendwie verärgerte ihn der Gedanke, dass sein Bruder dieses Wesen berührte.
„Reiten Sie, Miss de Lancel?“ Warum machte er sich die Mühe, sich mit ihr zu beschäftigen? Er hatte mehr als genug auf der Plantage zu tun, ehe ihn die Pflicht wieder fortrief. Als Erstes musste er diesen Jack Hanson rauswerfen. Allerdings wusste er nicht, wo er in diesen schwierigen Zeiten einen Ersatz bekommen würde. Es waren nur noch Alte und Krüppel da, die niemals einen so großen Besitz wie Wildwood leiten konnten. Aber er wollte unter keinen Umständen alles, was er in vielen Jahren aufgebaut hatte, von dem sturen Vater, dem Schürzenjäger Wayne und einem Aufseher ruinieren lassen, der nicht ohne Peitsche auskam.
„Bitte nennen Sie mich Shanna. Ja, ich reite gern und habe mir schon überlegt, ob ich es morgen wagen soll. Der Hengst, den Sie geritten haben, ist ein herrliches Tier. Sind alle Pferde Ihres Vaters so prächtig?“
„Die Pferde gehören mir. Also, wenn Sie wollen, suche ich Ihnen ein verlässliches Tier heraus. Balthazar lässt sich von niemandem als von mir reiten. Ich zeige Ihnen auch gerne die Plantage, oder belastet Sie das seelisch zu sehr?“
Shanna fragte sich, ob er wegen der Vorfälle in Baton Rouge oder wegen des Aufsehers so rücksichtsvoll war.
„Ich würde mich freuen. Vielen Dank, Mr. Amberville.“
„Ich heiße Rafe.“ Dabei lächelte er so, dass Shannas Herz zu flattern begann. Zum ersten Mal war sie sich bewusst, wie gut dieser Mann aussah. Es lag ein Hauch von Spott um seine Mundwinkel. Offenbar wusste er alles über sie vom Quell sämtlicher Informationen im Haus: von Abraham. Überlegte er, was sie über ihn gehört hatte?
„Ich hoffe, dass Sie am ersten Tag nichts zu Anstrengendes planen“, erklang eine Stimme vom Eingang her. Rafe stand langsam auf, als Alexander Amberville die Veranda betrat. Einen Augenblick lang starrten sich Vater und Sohn stumm in die Augen. Keiner traf Anstalten, den anderen zu umarmen oder ihm die Hand zu geben. Sie benahmen sich wie Fremde. „Man hat mir gesagt, dass du gestern Nacht zurückgekommen bist. Hast du die Absicht, länger zu bleiben?“
Keine Wärme in der Stimme, kein Anzeichen, dass der Vater froh war, den Sohn gesund vor sich zu sehen. Shanna war schockiert. Mit ihr war Alexander immer so freundlich umgegangen. Als Gast war sie besser als sein eigenes Fleisch und Blut behandelt worden.
„Ich warte auf den nächsten Marschbefehl. Keine Sorge, Vater, ich werde dir nicht sehr lange zur Last fallen. Ein paar Tage vielleicht.“
„Ich möchte keinen Streit zwischen dir und deinem Bruder, solange du hier bist. Ich hoffe, wir verstehen uns“, erklärte Alexander Amberville harsch.
„Vielleicht hat er ein paar blaue Flecken, wenn ich wegreite; aber ansonsten wird er heil bleiben“, antwortete Rafe. „Das trifft allerdings nicht auf Jack Hanson zu. Wenn nötig, werde ich ihn mit der Peitsche von der Plantage jagen.“
„Ich habe Hanson selbst eingestellt“, fuhr sein Vater empört auf. Sein Gesicht war rot. „Und wenn ich es für
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