HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
hatte sie beherzt so viele gefährliche Situationen gemeistert, dass sie mit ihren Erlebnissen Stoff genug für ein Bücherregal voller Groschenromane hatte. Aber niemals zuvor hatte sie es mit einem zornigen Donovan Cole zu tun bekommen. Sie nahm sich zusammen und zog an der Tür. Sie öffnete sich, wobei die vom Tauwetter feuchten Scharniere quietschten. Donovan füllte mit seiner beeindruckenden Gestalt den Türrahmen. Es war auf einmal so, als würde gleich ein Gewitter losbrechen. So sehr war die Atmosphäre geladen, als er die Schwelle überschritt und die Tür hinter sich schloss. Plötzlich wirkte alles im Raum viel kleiner.
Sarah bekam einen trockenen Mund. Sie bezwang ihren Fluchttrieb und stand aufrecht und stolz da. Bedeutungsvoll starrte er sie an, wobei sein brennender Blick Anklage ausdrückte.
„Hallo, Lydia.“ Seine Stimme klang verächtlich.
Sarah antwortete so ruhig, als würde sie ihre Worte von einer Tafel ablesen. „Ich heiße nicht Lydia. Mein Name ist Sarah Parker Buckley.“
Was sein Gesicht nun ausdrückte, konnte Ärger, Unglauben oder Bestürzung sein. „Sie erzählten mir, du seist tot. Ich sah dein Grab.“
„Lydia Taggert ist tot. Wenn du ein Grab gesehen hast, dann ihres.“
Er schnappte nach ihrem Oberarm und drückte ihn so fest, dass sie Angst hatte, er würde ihn brechen. „Schluss mit dem Versteckspielen, Sarah oder Lydia oder wie, zum Teufel, du heißt. Jetzt will ich hören, was damals wirklich passiert ist. Und hinterher wirst du packen und verschwinden.“
Sarah sah ihm in die Augen und begegnete seinem harten Blick. „Tu tust mir weh“, flüsterte sie.
Er lockerte seinen Griff etwas, ließ sie aber nicht los. „Ich habe noch nie einer Frau körperlichen Schmerz zugefügt. Aber, der Himmel steh mir bei, wenn du nicht bald mit der Wahrheit herausrückst, schüttele ich dich so lange, bis dir die Zähne aus dem Mund fallen.“
„Lass mich los.“ Sarah bewahrte eine königliche Haltung. Meine schauspielerischen Erfahrungen kommen mir zugute, erkannte sie. Donovan konnte nicht wissen, dass sie innerlich wie Espenlaub zitterte.
„Fängst du endlich an?“
Sie spürte es an seinem Griff, dass er zögerte und überlegte, ob er ihr trauen und sie loslassen könne. „Ich werde dir jede Frage beantworten, die du mir stellst“, antwortete Sarah kühl, „nur eins sage ich dir vorweg: Ich werde nicht aus Miner’s Gulch fortgehen.“
„Das werden wir ja sehen.“ Endlich ließ er sie los. Die Stelle brannte wie Feuer.
„Setz dich.“
„Ich bleibe stehen.“ Sein Blick glitt fort von ihr. Sarah beobachtete, wie er sich unruhig in dem behelfsmäßigen Klassenraum umsah, der ihr auch als Wohnraum diente. Reihen von wurmstichigen Bänken, die kleinen vorne, nahmen fast den ganzen Raum in Anspruch, auf dem Schreibtisch in der Ecke häuften sich Schiefertafeln und lädierte Lesebücher. Ein bauchiger Ofen mit einer kleinen Platte an der nächstliegenden Wand diente als bescheidene Kochstelle. Die Tür, die zu ihrem Schlafraum führte, war geschlossen.
Kaltes Schweigen breitete sich im Raum aus, als Donovan zum Fenster hinüberging. Für eine unendlich lange Zeit schien er dort auf die Straße hinunterzustarren. Sarah stand hinter ihm und betrachtete seine Schultern unter der schweißbefleckten Lederweste und dem verschossenen Flanellhemd. Ihr Blick blieb an seinen kastanienbraunen Haaren hängen, die sich auf seinem sonnenverbrannten Nacken lockten. Sie versuchte nicht daran zu denken, wie es sich angefühlt hatte, von ihm berührt zu werden. Sie wollte gar nichts fühlen.
Abrupt drehte er sich zu ihr um. „Verdammt! Ich verstehe überhaupt nichts! Ich weiß gar nicht, wo ich beginnen soll.“
Sarah sah auf ihre gefalteten Hände und zwang sich dann, seinem Blick zu begegnen, der sie verurteilte. „Mir geht es genauso.“ Nur mühsam bewahrte sie die Ruhe. „Außer, dass ich das alles nicht gewollt habe.“
„Du hast also nur so zum Spaß spioniert?“
Seine Ironie tat ihr weh. „Lass das …“, sagte sie, aber er war so unversöhnlich wie ein Felsbrocken. Sie verbarg ihren Schmerz und fuhr fort: „Anfangs glaubte ich, das, was ich tat, sei nobel und richtig. Ich überlegte nicht, welche Konsequenzen sich daraus ergeben würden – wie sich unweigerlich Ringe bilden, nachdem du den Stein ins Wasser geworfen hast.“
„Virgil ist tot. Er wurde in der Schlacht von Antietam getötet.“
„Ich weiß.“
„Weißt du es wirklich?“, forschte Donovan
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