HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
umkippst.“
Nachdem sie einen prüfenden Blick ringsum geworfen hatte, schob sie Sarah nach draußen und schloss die Tür hinter ihr.
Die klare, frische Luft brachte Sarah wieder zu Verstand. Einen Moment stand sie unter der Regenrinne und sammelte Kraft für den kurzen Heimweg. Der Regen ergoss sich vom Dach. Beim Fallen bildete er einen gleichmäßigen grauen Vorhang. Es gab kaum noch Tageslicht. Bald kam die Nacht, erkannte sie und war schockiert. In dem stickigen Raum mit den zugezogenen Vorhängen hatte sie jedes Zeitgefühl verloren, während sie Marie umsorgte.
Sie trat in den Regen und dachte an den Mantel, der in Varinas Hütte liegen geblieben war. Inzwischen hatte Donovan seiner Schwester sicher alles erzählt. Varina war eine ihrer besten Freundinnen gewesen, aber jetzt würde sie sie sicher genauso sehr hassen wie all die anderen. Dieser Gedanke tat Sarah weh.
Sie hatte den Fuß ihrer Treppe erreicht, als sie plötzlich Angst überfiel. Den ganzen Nachmittag war sie fortgewesen. Irgendjemand könnte eingebrochen sein und dort alles verwüstet haben. Alles könnte zerschlagen sein …
Mit klopfendem Herzen fasste sie nach dem Geländer und stieg nach oben. Bei ihrem Bemühen, Miner’s Gulch zu ihrer Heimat zu machen, war Angst der große Gegner. Wenn sie die bezwang, konnten ihr die Sterblichen sowieso nichts anhaben. Sie wäre unbesiegbar.
Verwegene Gedanken. Sarah machte sich selbst Mut. Trotzdem, als sie die oberste Stufe erreichte, klopfte ihr Herz, als wolle es zerspringen, und ihre Hand zitterte, als sie nach dem Schlüssel suchte. Jetzt erst entdeckte sie das in Ölzeug verpackte Bündel auf der Schwelle ihrer Tür.
Es regnete immer noch stark. Während sie es aufnahm, steckte sie den Schlüssel ins Schloss und öffnete. Die Tür schwang nach innen auf, und sie machte die Augen zu aus Furcht vor dem, was sie vielleicht zu sehen bekam. Dabei drückte sie das Bündel gegen die Brust.
Doch der kleine Klassenraum lag unberührt und friedlich im grauen Licht da. Ihr ängstlicher Blick entdeckte, dass alles in Ordnung war. Sie lauschte und konnte nichts hören außer dem Ticken der Uhr, dem Prasseln der Regentropfen an den Scheiben und ihrem eigenen angestrengten Atmen.
Sie zwang sich, sich zu entspannen, und schloss die Tür hinter sich. Dann trug sie das Bündel in ihren Schlafraum und entzündete die Lampe. Der warme helle Schein bestätigte, dass sie in Sicherheit und allein war.
Sie setzte sich auf die Bettkante und fürchtete sich ein wenig davor, das Bündel auf ihrem Schoß zu öffnen. Bei dem Lauf durch den Regen war sie bis auf die Haut durchnässt worden, und nun fror sie in dem zugigen, ungeheizten Raum. Sie nestelte an dem Band, das das Bündel zusammenhielt, doch die nassen Knoten widersetzten sich ihren von der Kälte klammen Fingern. Nach kurzer Zeit schlugen Sarahs Zähne aufeinander, so sehr fror sie.
So geht es nicht, dachte sie, legte das Bündel zur Seite und begann, ihre Bluse aufzuknöpfen. In Zeiten wie diesen konnte sie sich keine Erkältung leisten. Sie würde das Paket erst öffnen, wenn sie sich etwas Trockenes und Warmes angezogen hatte.
Vor Kälte zitternd, zog sie sich aus und hängte die nassen Sachen so auf, dass sie bis zum nächsten Morgen trocknen konnten. Ihr weißes Baumwollnachthemd lag zusammengerollt unter dem Kopfkissen. Sie zog es sich über den Kopf. Der Stoff fühlte sich weich, leicht und trocken auf ihrer Haut an. Dann warf sie sich den warmen blauen Morgenmantel über und verknotete das Band an der Taille. Anschließend setzte sie sich mit überkreuzten Beinen auf die Bettdecke, die bloßen Füße unter dem Mantel versteckt, und nahm das Paket nochmals in Angriff.
Diesmal kam sie mit den Knoten besser zurecht. Das schäbige Ölzeug fiel zur Seite und gab ihren sorgsam gefalteten Wollmantel frei, den sie bei Varina vergessen hatte, nachdem es zu der bitteren Umarmung mit Donovan gekommen war. Wenn sie nur an diesen Moment dachte, an seinen rauen, ärgerlichen Kuss, errötete sie. Sie hätte ihn niemals so nahe an sich herankommen lassen und ihn nie wissen lassen dürfen, wie verwundbar sie im Grunde war.
Sie musste auch daran denken, wie er an diesem Morgen in der Kirche aufgestanden war, um sie zu beschützen, eine Frau, die er verachtete. Der liebenswerte Donovan war so geradeheraus, wie sie verschlossen war, so leidenschaftlich wie sie zurückhaltend.
Wie wäre es, von einem solchen Mann geliebt zu werden? Sie zwang sich, nicht daran zu
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