HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
Schwester an und ließ ihren Blick nicht los. „Ich weiß nicht, wie viel Informationen sie Virgil mit ihrem Charme abgeluchst hat oder wie entscheidend sie für das furchtbare Bombardement waren, in das wir an jenem Tag hineingerieten. Aber ich kann nicht vergessen, wer sie damals war, und ich kann ihr nicht vergeben, was sie damals getan hat. Wie viel Gutes sie hier auch geleistet haben mag, Varina, ich kann ihr einfach nicht verzeihen.“
Donovan wich vor ihrem betroffenen Gesicht zurück und eilte blindlings zur Tür. Flüchten, das war alles, was er wollte. Zu klar stand ihm wieder Virgils Tod vor Augen, der Schmerz, das Entsetzen, die Last seiner eigenen Schuld. Wie schnell und wie weit er auch liefe, er würde davon niemals loskommen. Aber immerhin konnte er es versuchen. Sonst würde er noch verrückt werden.
Er stürzte über den Hof, vorbei an den drei erschrockenen Kindern. Vor ihm lagen das Wäldchen und der felsige Abhang sowie der Bergkamm, und dahinter ragten die zackigen Berggipfel in den Himmel.
Von Westen zogen als erste Vorboten eines Frühlingssturmes Wolken auf. Jenseits der Berggipfel rollte Donner, aber Donovan schenkte dem keine Aufmerksamkeit. Er war versunken in seine Erinnerungen. Es war eine feuchtkalte Septembernacht gewesen. Die Truppen von General Lee hatten hinter dem schützenden Bergkamm über Antietam Creek das Lager aufgeschlagen, während das Granatfeuer der Yankees vor dem tintenblauen Himmel leuchtete.
Sie hatten sich gesucht, Virgil und er. Als es ringsum immer dunkler wurde, duckten sie sich in einer geschützten Senke und redeten, um ihre Angst zu vergessen.
Eine Zeit lang ging alles gut. Die brüderliche Nähe, in letzter Zeit zu selten genossen, hatte ihnen mit ihrer Wärme gutgetan. Sie hatten sich entspannt und in Erinnerungen geschwelgt, dabei – vielleicht zum letzten Mal – die Gesellschaft des anderen ausgekostet. Dann hatte Virgil den goldenen Ring aus der Tasche gefischt und ihm von seinen Plänen im Hinblick auf Lydia erzählt.
Donovan hatte ihm das auszureden versucht. Er hatte argumentiert, Lydia sei zu erfahren und zu weltgewandt für einen unschuldigen Zwanzigjährigen wie Virgil. Mit Liebe habe die Sache sowieso nichts zu tun. Das sei nur ein Fall von Vernarrtheit, mehr nicht. Das würde vorübergehen und er hinterher klüger sein.
„Schlag dir Lydia aus dem Kopf“, hatte er gesagt. „Die Sorte kenne ich. Am Ende wird sie dir das Herz brechen.“
Mit Virgil war das jugendliche Temperament durchgegangen. Vor Zorn hatte er nach Donovan geschlagen.
„Du warst immer schon gegen meine Beziehung zu Lydia. Ich habe mich darüber immer gewundert. Aber jetzt verstehe ich – du willst sie selbst.“
„Virgil …“
„Streite das nicht ab. Mir ist nicht entgangen, wie du sie immer angesehen hast. Du bist auch in sie verliebt.“
„Sei vernünftig, Junge!“ Donovan hatte seinen Bruder am Arm festgehalten, aber er hatte sich ihm entwunden und war aufgesprungen.
„Ich bin kein Kind mehr!“, brauste er auf. „Bleib mir vom Leibe, Donovan Cole. Ab sofort betrachte ich dich nicht mehr als meinen Bruder.“
Er tauchte aus der Senke auf und begann fortzulaufen – aber nicht zurück zum Lager, sondern hügelaufwärts bis auf den Bergkamm.
„Virgil!“ Verzweifelt hatte Donovan ihn gerufen. „Komm wieder herunter.“ Seine Worte gingen in einem höllischen Gewehrfeuer unter, das Virgil galt und ihn blutig und zerschunden Donovan vor die Füße rollen ließ.
Donovan rannte inzwischen verbissen, die Lungen brannten ihm in der dünnen Luft. Es donnerte – und er hätte im Moment nicht sagen können, ob es das Gewitter war, das heraufzog, oder die lebhafte Erinnerung.
Immer weiter trieb es ihn hinauf. Dabei beachtete er weder die Felsbrocken, an denen er sich die Knöchel stieß, noch die Brombeerzweige, die ihn streiften. Auch als es zu regnen begann, kümmerte er sich nicht darum. Im Geiste rannte er nämlich durch die neblige Ebene von Antietam – dem Feind entgegen, ohne sich darum zu kümmern, ob er überlebte oder starb.
7. KAPITEL
Sarah hob die Ecke des Bettlakens. Verweint hob sie es, um damit das Gesicht der leblosen Marie Cecile LeClerq zu bedecken. „Es ist vorbei“, sagte sie zu der abwesenden Faye. „Sie hat ihren Frieden gefunden.“
Herzzerbrechende Seufzer waren aus der Ecke des Raumes zu hören, die im Halbdunkel dalag, wo die verstörte Greta in einem mit Samt bezogenen Sessel saß und ihrem Kummer freie Bahn ließ. Faye
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