HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
gleichzeitig wunderte sie sich. Warum hatte Rafe neulich darauf bestanden, dass sie entlang des Flusses zurückkehrten, damit niemand sie zusammen sah? So benahm sich kein Mann, der jede Frau als mögliche Herausforderung, seine Männlichkeit unter Beweis zu stellen, betrachtete, wie Wayne jetzt andeutete.
„In Anbetracht der Tatsache, dass man Ihren Bruder jeden Augenblick zurück in den Krieg rufen kann, halte ich es nicht für fair, ihn so hart zu verurteilen“, sagte sie und wählte sorgsam die Worte. Sie wollte Wayne nicht vor den Kopf stoßen. Sie hätte sich heute keinen besseren Begleiter wünschen können. Als er von ihrem schrecklichen Erlebnis mit den rebellischen Frauen erfuhr, hatte er sofort darauf bestanden, dass sie erst in Savannah mit ihm Tee trank, um ihre Nerven zu stärken, ehe sie zurück nach Wildwood fuhren. Er war untröstlich gewesen, dass er nicht in ihrer Nähe gewesen war. Aber seine Bemerkungen über Rafe fand sie unfair. Allerdings hatte auch sie Rafe danach beurteilt, was sie sich über ihn zusammengereimt hatte, und das war falsch gewesen, wie sie jetzt wusste.
Rafe Amberville war ein Rätsel. Man konnte ihn nicht danach beurteilen, wie er auf den ersten Blick wirkte. Sie konnte ihn auch nicht, wie andere Männer, in eine Kategorie einordnen. Abgesehen von ihrer ersten Begegnung, als er sie so leidenschaftlich geküsst hatte, war er ihr gegenüber immer als perfekter Gentleman aufgetreten.
„Ach, nur weil er ein Soldat ist?“, stieß Wayne wütend aus und machte ein beleidigtes Gesicht. „Ich wollte auch kämpfen, wissen Sie das? Aber einer von uns musste hierbleiben. Mein Vater bestand darauf. Als ich ablehnte, hat er mit seinen Freunden geredet – sehr einflussreichen Männern –, und mein Antrag auf ein Offizierspatent wurde schlichtweg abgelehnt! Als Entschuldigung sagte man, dass jeder Plantagenbesitzer oder Aufseher, der mehr als zwanzig Sklaven besitzt, vom Dienst freigestellt sei. Mein Vater überzeugte alle, dass ich Wildwood leiten müsse, nachdem Rafe weg war …“
„Es tut mir leid. Ich hatte keine Ahnung …“, sagte Shanna leise und ließ sich von ihm aus der Kutsche heben. Irgendwie konnte sie sich Wayne nicht als tapferen Soldaten in der Schlacht vorstellen. Das Eau de Cologne, das er überreichlich benutzte, stieg ihr in die Nase. Schnell machte sie sich von ihm los. „Aber trotzdem …“
„Ach, Rafe tut Ihnen leid? Ja, das ergeht vielen Frauen so. Er hat diese Wirkung, und im nächsten Augenblick sind sie mit ihm im Bett. Damaris LaFontaine, die jetzt wohl mit ihm im Haus ist, ist die Frau eines sehr einflussreichen Mannes in dieser Gegend. Er ist auch sehr eifersüchtig und hat schon mehr als einen Verehrer getötet, mit dem sie direkt unter seiner Nase geflirtet hat. Trotzdem bleibt er mit ihr verheiratet! Der Mann ist ein Narr. Natürlich ist das für Rafe nur von Vorteil. Aber ich habe mich schon öfters gefragt, wer wohl wen töten würde, falls die beiden sich auf dem Feld der Ehre gegenüberstünden, um sich zu duellieren.“
„Wie kann man nur etwas so Schreckliches sagen!“, tadelte Shanna, die ganz blass geworden war, ihn. „Mögen Sie Ihren Bruder so wenig, dass Sie ihn verletzt sehen wollen – oder tot?“
„Natürlich nicht.“
„Tante Lea, hilf Benjamin mit den Paketen und bringt alles hinauf in mein Zimmer!“, sagte Shanna. „Ich komme gleich nach.“ Wayne nahm ihren Arm. „Es hat mir wirklich sehr gefallen. Vielen Dank, dass Sie mich begleitet haben.“
Sie gingen zum Eingang. Dort standen jetzt ein Mann und eine Frau. Hinter ihnen tauchte Alexander Amberville auf. Shanna bemerkte sofort, wie besitzergreifend die schöne Frau sich bei Rafe eingehängt hatte. Alexander machte ein mürrisches Gesicht, als habe ihm der Besuch nicht behagt. „Ich hoffe, dass die kleinen Geschenke, die ich für alle gekauft habe, auch gefallen. Sie alle sind so freundlich zu mir gewesen.“
Wayne hätte sich besser gefühlt, wenn sein Bruder nicht eingeschlossen gewesen wäre.
„Sie hätten für uns kein Geld ausgeben dürfen, Shanna! Es ist für uns eine große Freude, Sie hier zu haben, solange Sie nur wollen.“
„Das Testament meines Vaters …“ Shanna schluckte, als sie an den Grund ihres Hierseins denken musste, und verdrängte den Schmerz über den Verlust. „Er hat mich ziemlich gut versorgt.“ Tante Lea hatte sie gewarnt, niemandem zu sagen, wie hoch ihr Erbe sei. Shanna verstand allerdings nicht, warum. So gute
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