HISTORICAL EXCLUSIV Band 17
neben seiner Kutsche auftauchte. Dicker Nebel lag noch über dem Bayou. Daher hatte er ihr Boot auf dem Flussarm nicht gehört und sie auch nicht den Uferstreifen heraufkommen sehen.
Shanna hatte überhaupt nicht geschlafen. Sie hatte zu große Angst gehabt, sie könnte verschlafen, wenn Rafe das Haus verließ. Daher hatte sie sich angezogen und im Dunkeln im Stuhl am Fenster Platz genommen, um zu warten. Nach einer Stunde hatte Tante Lea aufgegeben, sie durch Schimpfen oder Schmeicheln von der Idee abzubringen, dass sie auf den Duellplatz müsse, um den Zweikampf zu verhindern.
Abraham hatte Shanna erzählt, dass Claude schon drei Männer getötet hatte. Bei diesem Gedanken lief es ihr eiskalt über den Rücken, als sie mit dem kleinen Boot in der Dämmerung dahinruderte. Durch die langen Moosschleier an den Zweigen drang das Morgenlicht nur spärlich hindurch. Die weit ausladenden Äste schützten sie vor neugierigen Augen. Trotz des dicken Umhangs fror sie erbärmlich.
In wenigen Stunden würde die Sonnenwärme diesen Ort in ein Paradies mit leuchtend bunten Blumen und Vögeln verwandeln, wo kleines Getier im dichten Unterholz nach Nahrung suchte. Aber um diese frühe Stunde jagte der Ort Shanna Angst ein. Er glich einer Totenstätte.
„Rafe hat gestern Abend nicht auf mich gehört. Vielleicht schenken Sie mir Gehör.“ Shanna zitterte, als ein seltsamer Schrei hinter ihnen laut wurde. Tante Lea warf einen besorgten Blick zurück. Shanna war es nicht gelungen, ohne die Mulattin zu gehen. Inzwischen war sie froh, nicht allein zu sein. „Sie können nicht gegen ihn antreten. Er hat nichts getan. Wayne hat eine Affäre mit Ihrer Gattin, nicht Rafe.“ Claudes Gesicht verfinsterte sich. Er wurde aschfahl, aber die Sache war zu weit gediehen. Jetzt konnte er keinen Rückzieher mehr machen. „Ich war auf der Veranda. Ich habe sie gehört – und gesehen …“
„Ich nehme an, Sie haben Dinge gehört, die für so zarte Ohren nicht bestimmt waren“, sagte Claude mit versteinertem Ausdruck. „Sie können mir nichts sagen, was ich nicht längst weiß, mein Kind. Aber Sie müssen akzeptieren, dass es eine Sache der Ehre zwischen Rafe und mir ist. Er hat mich mit voller Absicht provoziert. Das haben Sie doch auch gehört, oder?“
„Nur, um Sie vor der Wahrheit zu schützen! Wollen Sie ihn deshalb töten?“, rief Shanna, dem Weinen nahe. Sie unterdrückte die Tränen, da ihr klar war, dass sie diesen Mann nicht rühren würden, der eine Frau liebte, die ihn belog und betrog. Trotzdem liebte er sie und war bereit, für sie zu töten. Einen Freund zu töten!
„Ich versichere Ihnen, dass ich ihn nicht töten werde, weil er – wie so viele vor ihm und viele in der Zukunft – das Bett meiner Gattin geteilt hat. Sie zittern ja … ich habe etwas Brandy in der Kutsche. Der wird Sie wärmen.“
Er gab dem Diener in Livree ein Zeichen, der nicht weit entfernt stand. Aber Shanna schüttelte den Kopf. Claude zuckte mit den Schultern und befahl dem Neger, ihm ein Glas Brandy zu bringen.
In der Ferne hörte man Stimmen. Jetzt erkannte Shanna Wayne. Er beklagte sich über die frühe Stunde, die Kälte und die Sturheit seines Bruders, ihn als Sekundanten mitzunehmen. Was für eine Ironie des Schicksals, dachte Shanna. Rafe macht ihn zu einem Zeugen bei dem Unglück, das er und Damaris heraufbeschworen haben.
„Ich darf nicht gesehen werden. Er darf auch nie erfahren, dass ich mit Ihnen gesprochen habe“, sagte sie schnell.
„Wie sehr Sie ihn lieben“, sagte Claude. Seine Züge wurden weicher, als er in ihr schmerzverzerrtes Gesicht blickte. „Wahrscheinlich so sehr, wie ich meine Frau liebe. Wir beide sind bereit, für die, welche wir lieben, sehr viel zu opfern. Seien Sie vorsichtig, lassen Sie sich nicht von dieser Liebe zerstören, wie es mir ergangen ist. Seien Sie bei allem, was Sie tun, stark. Binden Sie sich niemals völlig im Namen der Liebe, sonst sind Sie verloren.“
„Gestern hätte ich Ihnen beigepflichtet, doch jetzt ist es zu spät“, sagte Shanna mit wehmütigem Lächeln.
„Rafe weiß nicht, was für ein Glück er hat, dass jemand wie Sie über ihn wacht – sich um ihn sorgt …“ Er brach ab, weil ihm plötzlich die Intimität der Unterhaltung peinlich war. Shanna war für ihn kaum mehr als eine Fremde, trotzdem gab er ihr gute Ratschläge, als sei sie seine Tochter – die Tochter, die er nie haben würde, weil Damaris zu stolz auf ihre Figur war, als dass sie sie durch eine
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