HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
verrückten Einfällen präsentieren würde, brachte ihn ihre Darlegung außer Fassung. Er war nicht daran gewöhnt, dass sich jemand so unverblümt äußerte, und warf nervös einen Blick über seine Schulter, aber Bertrand war immer noch damit beschäftigt, Kuchen und Sandwiches zu verschlingen. Dann schüttelte er bedächtig den Kopf und fragte sich, ob sein Verständnis für sie ihm schon wieder abhandengekommen war. Sie konnte doch nicht wirklich meinen …
„Ich habe lange darüber nachgedacht, doch es gibt keine andere Möglichkeit“, erklärte Georgiana.
Ashdowne war zum ersten Mal sprachlos, als er die kleine Blondine betrachtete, die ernsthaft einen Einbruch erwog. Noch nie in seinem Leben hatte er jemanden wie Miss Bellewether kennengelernt. Sie machte ihn nervös, brachte ihn durcheinander, verwirrte alles, und doch fühlte er sich seltsam belebt, ganz so, als hätte er sich einen Rausch angetrunken, was er am nächsten Morgen sicher bereuen würde.
„Sie wissen natürlich, dass Sie da etwas völlig Ungesetzliches vorschlagen“, vermochte er schließlich zu sagen. Sowohl als Gentleman wie auch als Einziger, der in diesem Zimmer noch nicht ganz den Verstand verloren hatte, empfand er es als seine Pflicht, sie von einem solch törichten Plan abzubringen.
Georgiana dachte einen Moment über seine Worte nach, und Ashdowne glaubte fast sehen zu können, wie sich die Rädchen in ihrem hübschen Kopf drehten. Sie war trotz aller Narretei kein Dummkopf. Man musste ihr einfach nur ein wenig die Richtung zeigen, auf die es ankam. Das war allerdings nicht seine Aufgabe. Für ihn war es genug, sie vor einer weiteren Katastrophe zu schützen.
„Ja, formal betrachtet könnte unsere Ermittlung sicher als nicht ganz gesetzlich angesehen werden, aber da es ja für den vorliegenden Fall notwendig ist, glaube ich nicht, dass jemand etwas dagegen hätte“, erklärte sie.
Der Marquess unterdrückte ein Lachen. „Nun, der Bursche, dessen Haus wir durchsuchen, würde dem vielleicht nicht zustimmen. Genauso wenig Mr. Jeffries. Ich bezweifle, dass unser guter Londoner Detektiv Einbrüche als etwas Erlaubtes betrachtet.“
„So etwas Dummes!“, murmelte Georgiana, was ihn für einen Moment hoffen ließ, dass er sie überzeugt hatte. Ein Einbruch! Er wollte sich nicht einmal andeutungsweise das Ergebnis vorstellen, falls die katastrophensüchtige Miss Bellewether ihren Plan umsetzen würde. Es war undenkbar. Selbst sie musste doch …
„Sie wollen mir nicht helfen, nicht wahr?“
Einen Augenblick lang glaubte Ashdowne, nicht richtig gehört zu haben. Georgianas Blick zeigte unverhohlene Enttäuschung. Mit einem Schlag war er von einer götterähnlichen Erscheinung zu einem verachtungswürdigen Niemand herabgesunken. Er musste zugeben, dass ihm das ganz und gar nicht gefiel. Er hatte es nicht nur nicht geschafft, sie zu entmutigen, sondern sie war auch noch von ihm enttäuscht. Noch schlimmer jedoch war die Ahnung, dass die verrückte Gans wohl auch ohne ihn ein Haus ohne Einladung betreten würde.
„Ich verstehe“, sagte sie und schien seinen entsetzten Gesichtsausdruck völlig falsch zu verstehen. „Ein Mann in Ihrer Position, ein Marquess, sollte nicht in so etwas verwickelt werden.“
Ashdowne hätte es wohl geschafft, die Haltung zu bewahren, wenn sie ihm nicht mitleidig auf den Arm geklopft hätte. Die Berührung ihrer schmalen behandschuhten Hand und der verständnisvolle Blick ihrer blauen Augen brachten ihn aus dem Gleichgewicht. Wenn er an all die Untaten dachte, für die Männer aus dem Adelsstand berüchtigt waren –Verführungen, Spielsucht, Duelle und noch vieles mehr –, und auch an seine eigene nicht ganz unbefleckte Vergangenheit, konnte er nicht an sich halten.
Er brach in Gelächter aus und lachte so lange und laut, dass sogar Bertrand von seinem Essen aufschaute und Finn, der zweifelsohne an der Tür gelauscht hatte, eintrat, um nach dem Rechten zu sehen. Doch Georgiana erschien sein Verhalten nicht weiter seltsam.
„Soll das heißen, Sie helfen mir doch?“, fragte sie voller Hoffnung.
Ashdowne nickte, immer noch atemlos vor Lachen; kein Mann mit gesundem Menschenverstand hätte bei ihrem Vorhaben mitgemacht. Es ist um mich geschehen, dachte er, doch auch diese Erkenntnis half ihm nichts, denn wie eine Motte, die ins Kerzenlicht fliegt, strebte er blindlings seinem Verderben zu.
6. KAPITEL
Sie ließen Bertrand im „Pump Room“ zurück, obwohl Ashdowne einen schwachen Protest
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