HISTORICAL EXCLUSIV Band 21
Sie war ein wenig konsterniert, denn er strahlte von einem Ohr zum anderen und beugte sich noch näher zu ihr.
„Dass das Leben ein Abenteuer ist“, erklärte er und gab ihr dann im Schatten der Baumes einen kurzen, heftigen Kuss. Wie betäubt stand Georgiana da, bis er sie an der Hand nahm und hinter sich herzog.
Abenteuer? Anscheinend belebten sie ihn. Als er sie durch die kleinen Hintergärten zurück zur Straße führte, kam es ihr auf einmal so vor, als wäre sie seine Assistentin und würde von einer größeren Kraft, als sie irgendeinem Rätsel innewohnen konnte, mitgerissen.
Sie kamen am Haus der Bellewethers an, als es bereits Abend zu werden begann. Georgiana war der Lösung des Falls noch keinen Schritt näher gekommen. Sie hatte das Gefühl, als ob die anfangs so einfach aussehende Geschichte ihr mehr und mehr aus den Fingern glitt. Außerdem stellte sich ihr Assistent, der zwar beim Einbruch erstaunlich geschickt gewesen war, als Teil des Problems heraus.
Ashdowne hatte die unglaublichste Wirkung auf sie. Allein seine Anwesenheit wirkte wie eine Droge und vernebelte ihren Kopf, während ihre anderen Sinne auf erstaunliche Weise angeregt wurden. Wenn sie an die Empfindungen dachte, die seine Hand auf ihrer Brust in ihr ausgelöst hatte, überwältigte sie sowohl eine übergroße Sehnsucht als auch eine erschreckende Scham.
Hatte sie wirklich so zügellos auf seine Berührung reagiert? Georgiana, deren Wunsch es, seit sie denken konnte, gewesen war, ein Mann zu sein, hatte die ganzen weiblichen Verhaltensweisen, die ihr die Schwestern tagtäglich vor Augen führten, immer verachtungsvoll abgelehnt. Sie sah sich selbst als jemand, der über solchem Unsinn stand, der zu logisch dachte, zu klug und intelligent war, um dem Charme eines Mannes zu erliegen. Ashdowne jedoch schien die Fähigkeit zu besitzen, sie innerhalb weniger Minuten zu einer unvernünftigen, zusammenhanglos faselnden Person werden zu lassen.
Es war niederschmetternd.
Noch schlimmer war die Tatsache, dass dieses Phänomen zu keiner unpassenderen Zeit hätte auftreten können. Gerade jetzt brauchte sie ihren Geist am allernötigsten, denn sie war endlich dabei, die Laufbahn einzuschlagen, nach der sie sich immer gesehnt hatte. Auch wenn sie versuchte, ihre Gefühle für ihren Assistenten zu unterdrücken, schaffte sie es einfach nicht, sich zu konzentrieren. Ashdowne lenkte sie viel zu sehr ab.
Es war offensichtlich, dass drastische Maßnahmen notwendig wurden. Sosehr sie den Marquess mochte und seine Hilfe bei ihren Ermittlungen schätzte, musste sie die Beziehung doch ein für alle Mal abbrechen. Die Entscheidung war schmerzhaft, vor allem, wenn sie ihn jetzt betrachtete, während sie vor dem Wohnsitz ihrer Familie standen. Er war so groß, so gut aussehend, seine Augen funkelten noch immer vor Vergnügen, und sein Mund lächelte auf eine Weise, die ihr zeigte, dass er viel entspannter und offener geworden war.
Georgiana beschlich ein noch größeres Schuldgefühl, als ihr der Gedanke kam, dass sie möglicherweise einen günstigen Einfluss auf ihn hatte. Doch sie weigerte sich, eine solche Idee weiter auszuspinnen. Sie wollte ihn auch nicht mehr länger ansehen und seine Gesichtszüge studieren, die ihr in dieser kurzen Zeit so lieb geworden waren. Stattdessen starrte sie auf sein Krawattentuch und bereitete sich darauf vor, ihrem ersten und einzigen Assistenten den Laufpass zu geben.
„Ashdowne, ich …“
„Georgie! Da bist du ja!“ Georgiana hörte voll Entsetzen die laute Stimme ihres Vaters. Sie wurde nicht nur im allerunpassendsten Moment unterbrochen, sondern war nun auch dazu gezwungen, den Marquess vorzustellen, obwohl sie ihn gerade für immer wegschicken wollte.
„Die Mädchen haben mir gesagt, dass du eine Fahrt mit …“ Ihr Vater unterbrach sich und starrte Seine Lordschaft an. „Wer ist denn das bei dir? Doch nicht Lord Ashdowne?“, fragte er in einem Tonfall, der Georgiana zeigte, dass er sehr wohl wusste, wer vor ihm stand und deshalb ausgesprochen zufrieden mit sich war.
Georgiana verkniff sich eine Grimasse und wandte sich ihrem glücklich grinsenden Begleiter zu. „Mylord, darf ich Ihnen meinen Vater, Squire Bellewether, vorstellen?“
Wie immer in solchen Fällen gab ihr Vater Ashdowne kaum die Chance, mit dem Kopf zu nicken, bevor er sich in einen lebhaften Monolog stürzte. „Mylord, es ist mir ein großes Vergnügen! Meine kleine Georgie mit einem der bekanntesten Gäste von Bath unterwegs!“
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