HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
wenn es Euch nichts ausmacht, Mylord, muss ich mich um den Wein kümmern. Er wird sonst zu heiß …“
„Es ist nicht Liebenswürdigkeit, die den Wunsch in mir erweckt, Euch zu küssen“, sagte Heywood ruhig. „Und Ihr wisst das auch.“
„Nein, ich weiß es nicht“, widersprach Seraphina mit dünner, brüchiger Stimme, als der Earl den Blick auf ihre Lippen heftete. „Und ich will es auch gar nicht wissen! Also, wollt Ihr mich nun nach dem Wein sehen lassen?“
„Der Griff wird heiß sein“, erwiderte der Earl ungerührt, ohne ihre Hand loszulassen. „Erlaubt mir, Euch mein Taschentuch anzubieten.“
„Es wird schmutzig werden“, widersetzte sich Seraphina in wachsender Furcht, als Heywood ihr das spitzenbesetzte Leinentüchlein in die Hand drückte. Ihr Herzschlag glich jetzt dem qualvoll langsamen Wirbel der Trommel bei einer Hinrichtung. Warum nur ließ er sie nicht endlich los?
„Das hat keine Bedeutung“, sagte der Earl gleichgültig. „Ich habe genug davon, während Ihr nur zwei Hände habt, und ich möchte nicht die Ursache dafür sein, dass sie Schaden davontragen.“ Mit betonter Langsamkeit zog er ihre Hand an die Lippen, wandte sie um und berührte auch noch die Handfläche mit dem Mund.
Es war die denkbar zarteste Liebkosung, doch sie ließ Seraphinas Atem stocken. Sie konnte nichts anderes mehr tun, als ihr Gegenüber hilflos anzusehen und verzweifelt nach einer Erklärung für den Aufruhr ihrer Gefühle zu suchen. Wie war es möglich, dass ihr Körper derart auf diese Berührung reagierte, wenn ihr doch der Verstand sagte, dass es nichts anderes war als eine höfische Spielerei?
Dem Earl war die Kehle wie zugeschnürt, als er in Seraphinas Augen blickte, die so grün und so klar waren wie Glas. Wenn er nicht eben ihr unverblümtes Eingeständnis gehört hätte, würde er schwören, dass dieses Mädchen unberührt war. Warum versuchte sie dann aber, ihre Familie hinters Licht zu führen?
„Meine Hand! Ihr tut mir weh“, begehrte Seraphina in diesem Augenblick auf, denn Heywood hatte in Gedanken seine Finger wie Eisenklammern um ihre Hand geschlossen.
„Ich bitte um Verzeihung“, entschuldigte er sich hastig. Mit einem gezwungenen Lächeln bog er ihre Finger zusammen und legte die so gefaltete Hand auf ihr wild pochendes Herz.
Diese unerwartete Zartheit stand im krassen Widerspruch zu den Gefühlen, die Seraphina in seinem flackernden Blick gelesen hatte. Verwirrt führte sie in einer ganz unbewussten Geste ihre Finger an die Lippen.
„Ihr seht, Mylady, dass ein Nobler des Reiches unendlich besser gewesen wäre“, sagte Heywood verächtlich, ohne den Blick von ihr abzuwenden.
Seraphina starrte ihn an, und das Blut wich dabei aus ihrem Gesicht. Er hatte also ihre leichtfertige, dumme Bemerkung gehört! Und er hatte sie geglaubt. Sie öffnete den Mund zu ihrer Verteidigung und hielt dann inne. Schon einmal hatte sie ihren Stolz mit Füßen getreten in dem Bemühen, Edmund zu gefallen, sich zu der Ehegemahlin zu entwickeln, die er sich wünschte – und es hatte doch nichts genützt. Wenn Heywood nicht selbst erkannte, dass diese Gerüchte falsch waren, so sollte er sie denn in Dreiteufelsnamen glauben!
„So, meint Ihr?“ Mit großer Mühe gelang ihr ein abfälliges Lächeln. „Ich fürchte, Ihr schätzt Euch zu hoch ein, Mylord.“
„Wirklich?“ Heywood ließ den Blick zu ihrer Hand wandern, die mit immer noch gekrümmten Fingern wie leblos herabhing und sie Lügen strafte.
„Ja“, erwiderte Seraphina hochmütig, streckte nun endlich die Finger und ahnte nicht, dass der Ausdruck ihrer Augen dem Earl bereits verraten hatten, wie sehr er sie verletzt hatte. „Nun, wenn Ihr mich entschuldigen wolltet …“
„Geht nicht! Es tut mir leid“, sagte Heywood mit ehrlichem Bedauern. „Es war doch nur Neckerei und sollte keine Beleidigung sein. Wenn meine Zunge zu scharf ist, dann liegt es wohl an der Reisemüdigkeit. Etwas Wein könnte mich vielleicht erfrischen.“
„Also gut.“ Widerwillig gab Seraphina nach. Die Pflichten einer Gastgeberin waren ihr von ihrer Mutter zu nachhaltig eingeprägt worden, als dass sie eine solche Bitte ignorieren konnte. „Ich hätte Euch schon früher davon angeboten, wenn Ihr mir die Möglichkeit dazu gegeben hättet.“
„Ich bitte tausendfach um Vergebung, Mylady.“ Der Earl neigte ironisch das Haupt.
„Auf dem Kaminsims stehen Becher. Könntet Ihr sie mir bitte reichen?“, sagte Seraphina kurz und kniete nieder, um den
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