HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
wenig salonfähige Flüche ausstießen.
Mit vier Längen Vorsprung erreichte sie die Eiche und brachte Madrigal dort zum Stehen. Ihr Gesicht glühte vor Freude über den wilden Ritt.
„Ich hätte wissen müssen, dass es ein Fehler war, Euch Madrigal zu geben.“ Lachend hielt Heywood sein Pferd neben ihr an. „Ich fürchte, ich werde noch am Bettelstab enden.“
„Das fürchte ich auch. Also, gib mir die Chance, meinen Verlust wieder wettzumachen“, sagte Robin Dudley zu seinem Freund und blickte in den Wipfel der Eiche. „Sagen wir, weitere zehn Engelstaler für den, der als Erster einen Mistelzweig aus der Baumkrone holt?“
„Geld von dir zu bekommen, Robin, ist anscheinend einfacher, als ein Kind dazu zu bewegen, etwas von seinen Süßigkeiten abzugeben.“ Lachend sprang der Earl aus dem Sattel.
Seraphinas Herzschlag schien zu stocken, als sie zu der Spitze des mächtigen Baumes hinaufblickte. Er war nahezu hundert Fuß hoch, und die Äste in seiner Krone wirkten gefährlich dürr und brüchig. Wenn er da hinunterfallen würde … ein Schwindel erfasste sie.
„Bitte …“, wandte sie sich an die beiden Männer, die bereits ihre Reitstiefel und die schweren Lederhandschuhe ablegten. „Dort drüben stehen Eichen, in denen die Misteln auf niedrigeren Ästen wachsen.“
„Macht Euch keine Sorgen, mein Schatz.“ Der Earl lächelte so freundlich, dass es Seraphina ganz warm ums Herz wurde. „Ich habe nicht die Absicht, mich jetzt schon zu meinen Vätern zu versammeln. Robin, bist du fertig?“ Er lief auf den Baum zu und ließ Seraphina in einem Zustand zwischen Angst und Freude zurück. Mein Schatz! Er hatte sie Schatz genannt! Zum ersten Male hatte er einen solchen Kosenamen benutzt. Sie schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass es nicht zugleich das letzte Mal gewesen sein möge, während sie beobachtete, wie die beiden Männer – jeder an einer Seite des dicken Stammes – in die Höhe zu klettern begannen.
„Lass uns eine Pause machen, Richard“, sagte Dudley, als sie eine Astgabelung etwa fünfzig Fuß über dem Boden erreicht hatten.
„Hast du gestern Abend zu viel Wein getrunken, oder ist es die neue Dame deines Herzens?“ Der Earl lächelte spöttisch, während er sich an den rauen Eichenstamm lehnte und sich mit einer Hand an einem der dicken Äste festhielt. „Du verlierst offensichtlich deine Form, Robin.“
„Aber wenigstens verliere ich nicht meinen Verstand“, versetzte Dudley. „Hast du wirklich allen Ernstes Seraphina die Stute geschenkt?“
„Warum nicht?“, fragte der Earl ungerührt.
„Das weißt du verdammt gut! Die Königin erwartet Madrigal als Neujahrsgabe von dir. Schließlich hat sie oft genug versteckte Anspielungen in dieser Richtung gemacht.“
„Nun, dann werde ich sie eben enttäuschen müssen“, entgegnete Heywood trocken. „Aber für dich ist es eine großartige Gelegenheit, sie zu trösten, Robin. Und wie dankbar sie dann sein wird! Man wird in Rafton Manor nicht mehr betteln gehen müssen.“
„Meine Schatztruhen könnten in der Tat eine Auffüllung vertragen“, räumte Dudley mit einem breiten Grinsen ein. „Aber warum räumst du mir eine so vorteilhafte Möglichkeit ein?“
„Weil ich, im Gegensatz zu dir, mein lieber Robin, das Glück meiner zukünftigen Gemahlin höher schätze als meinen Ehrgeiz.“ Der Earl konnte ein ironisches Lächeln nicht unterdrücken.
Robin Dudley warf den Kopf zurück und lachte schallend, sodass seine weißen Zähne sich von dem rötlichen Bart abhoben. „Erwartest du wirklich, dass ich dir glaube, du hast dich verliebt? Was also ist der wirkliche Grund, Richard … Schuldgefühl vielleicht? Soweit ich Lady Sherard bis jetzt kennengelernt habe, würde ich nicht damit rechnen, sie mit Geschenken versöhnen zu können, wenn sie erst dahinter kommt. Sie sieht nicht aus, als könne man sie kaufen …“
„Hinter was soll sie kommen?“ Die Heiterkeit in Heywoods Miene war wie weggewischt.
„Nun, hinter deinen Sturm auf Mistress Morrisons Ehre. Die Braut zu vernachlässigen, um eine Woche vor der Hochzeit ihre Verwandte zu verführen, ist doch ein bisschen gar zu arg, selbst für dich, Richard“, erklärt Dudley betont lässig. „Ich war mir gar nicht mehr bewusst, dass wir uns in dieser Hinsicht so ähnlich sind. Bis jetzt habe ich immer geglaubt, du hättest dir noch einen Rest von Gewissen bewahrt. Nun, des einen Mannes Verschwendungssucht ist der Gewinn des anderen. Es wird mir ein Vergnügen sein,
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