HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
damit auch auf die Königin unbedeutend war.
„Ja, Eure.“ Sir John dämpfte die Stimme zu einem Flüstern. „Ich muss unbedingt den Earl unter vier Augen sprechen, denn ich brauche seinen Rat, bevor ich mich an die Königin wende. Sagt ihm bitte, dass ich ihn an dem Rasenplatz für das Bowlspiel erwarte, sobald der Gesellschaftsabend beendet ist … bitte!“, fügte er eindringlich hinzu, als er ihre zweifelnde Miene sah.
„Aber warum könnt Ihr ihm das nicht selbst sagen?“
„Ich kann es nicht wagen, mit ihm gesehen zu werden. Es wäre zu gefährlich.“
„Gefährlich? Was um alles in der Welt meint Ihr damit?“
„Das wisst Ihr wirklich nicht?“ Sir John schien außerordentlich überrascht zu sein. „Ich dachte, er hätte mit Euch darüber gesprochen … er muss doch gemerkt haben, dass Ihr es nicht sein könnt. Als ich Euch sah, wusste ich im selben Augenblick Bescheid.“
„Worüber soll er mit mir gesprochen haben?“, fragte Seraphina verwirrt.
„Über …“, begann Sir John und schüttelte dann den Kopf. „Nein, vielleicht ist es wirklich das Beste, das Sicherste, wenn Ihr von nichts wisst. Aber bitte, Ihr sagt Euerm Gemahl, dass ich ihn unbedingt sprechen muss, ja?“
„Nun gut“, seufzte Seraphina, berührt von dem flehenden Ton seiner Stimme.
„Ich danke Euch.“ Sir John sah aus, als habe man ihm eben einen Mühlstein von der Brust genommen. „Und, Mylady, als Dank dafür einen Rat für Euch: seid vorsichtig mit Menschen, die Euch nahestehen. Nicht immer sind sie das, was sie scheinen.“ Seine haselnussbraunen Augen blickten für einen Augenblick in die Richtung, in der Seraphina zuvor den Earl beim Tanzen beobachtet hatte. „Euer Gemahl …“
„Was ist mit ihm …?“ Seraphina hielt inne, denn Sir Johns Lächeln war plötzlich erloschen, und er war so weiß geworden wie die Kreidefelsen in den Wiltshire Downs. „Ist Euch nicht gut?“
„Nein, nein.“ Er schluckte krampfhaft und schüttelte den Kopf. „Aber ich muss jetzt gehen. Und, nicht wahr, Ihr vergesst nicht, was ich Euch gesagt habe?“
Ohne ihre Antwort abzuwarten, zog sich Sir John zurück und verschwand in der Menge. Seraphina biss verunsichert auf ihre Unterlippe. Sir John hatte beinahe entsetzt ausgesehen, aber warum nur? Er hatte doch nur auf die Tänzer geblickt. Sie hielt erneut nach dem Earl Ausschau. Gerade war wieder eine Pavanne zu Ende gegangen. Danach folgte immer eine Gaillarde, ihr Lieblingstanz. Sicher würde der Earl jetzt kommen und sie dazu auffordern.
Grace bemerkte Seraphinas Blick und machte eine hilflose Geste, als Heywood seine Hand um ihre Taille legte und sie wieder auf den Tanzboden zog. Schnell wandte Seraphina den Kopf ab. Sie verabscheute ihn. Und sie verabscheute sich selbst, weil sie seinem Tun Beachtung schenkte. Wie kann er mir das nur immer aufs Neue antun? fragte sie sich und fühlte sich sehr elend dabei. Das gestrige Vorkommnis war schon schwer genug zu ertragen gewesen. Aber deutlicher als heute konnte er nicht mehr beweisen, dass er Grace’ Gesellschaft der seiner junge Gemahlin vorzog. Doch welcher Mann würde nicht ebenso handeln? Seraphina konnte bei der Erinnerung an diese Worte Edmunds gehässige Stimme förmlich hören, so als stünde er neben ihr.
Die Rückschau auf die Vergangenheit schnitt wie mit Messern in Seraphinas Herz, und als sie bemerkte, wie der Earl Grace’ kleine Hand ergriff und an die Lippen zog, schien der Raum um sie zu verschwimmen. Sie senkte den Kopf und krampfte ihre Hände zusammen, bis ihr die Nägel ins Fleisch schnitten. Warum musste es gerade Grace sein?
„Es ist doch sehr freundlich von Euerm Gemahl, sich so rührend um Mistress Morrison zu kümmern, nicht wahr?“
„Der Earl ist immer freundlich.“ Seraphina schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter und wandte den Kopf, um dem Mann, der sie eben von der Seite angesprochen hatte, ein strahlendes Lächeln zu schenken. Sie mochte unbedarft sein, was das Hofleben anbelangte, aber dennoch würde sie Lord William Denleigh nicht so leicht auf den Leim gehen. Grace hatte ihr ihn vor der Hochzeit vorgestellt, und er hatte ihr nicht besonders gefallen. Jetzt gefiel er ihr noch weniger.
Denleigh verzog seinen vollen Mund zu einem hintergründigen Lächeln. „Immer freundlich? Nun, ich für meinen Teil kann es nicht gerade freundlich nennen, Euch so lange allein stehen zu lassen. Wenn Ihr meine Gemahlin wäret, würde ich mich nicht so verhalten.“
„Aber ich bin eben nicht Eure
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