HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
immer ähnlicher wird, wenn er heranwächst. Aber er wird Euch dennoch ein großer Trost sein.“
Elise nickte. Sie spürte schon jetzt den Schmerz in ihrem Herzen. Sie hatte nicht gewusst, dass es so wehtun würde, und dass es ihr sehnlichster Wunsch war, dieses kleine Wunder mit Adam zu teilen. Es tat weh zu wissen, dass sie selbst die Wahl getroffen hatte, Adam nicht wiederzusehen. Es war ihr nicht klar gewesen, dass sie sich so sehr danach sehnen würde, sagen zu können: „Sieh nur, Liebster, er hat deine Augen, aber ich glaube, die Nase hat er von mir. Schau mal, wie grimmig er das Gesichtchen verzieht, bevor er zu weinen anfängt!“ Es würde fast leichter sein, wäre sie wirklich eine Witwe, wie sie behauptete, denn dann würde ihr Herz aufhören, sie daran zu erinnern, dass Adam sich wahrscheinlich außerhalb der Stadt ganz in der Nähe aufhielt. Und er würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um sie und das Kind zu holen, wenn er wüsste, dass sie hier waren.
Elise stellte fest, dass sie in diesem Haus glücklich war. Clothilde und ihre Kinderschar erwiesen ihr mehr aufrichtige Zuneigung und Fürsorge, als ihr Schwager und ihre Schwägerin jemals für sie übrig gehabt hatten, nicht einmal gleich nach Aimeris Tod. Die Kinder, alle acht, hatten den kleinen Thomas zu ihrem erklärten Liebling gemacht und wetteiferten miteinander, ihn zu halten und ihn zum Lachen zu bringen. Es hatte fast den Anschein, als wären sie es noch nicht überdrüssig, für kleine Kinder zu sorgen, obgleich ihnen das wohlvertraut sein musste. Das mittlere Mädchen hatte sogar ein großes Opfer gebracht und Thomas seine Stoffpuppe geschenkt.
Clothilde sprach niemals von ihrem eigenen Ehemann, der sich mit einer Schlampe auf der anderen Seite von Rouen zusammengetan hatte, nachdem er seiner Frau acht Kinder gemacht hatte. Allerdings brachte er ihr anscheinend von Zeit zu Zeit einige Münzen. Niemand in diesem Haushalt schien ihn jedoch zu vermissen, und die Familie hatte bisher gut genug von dem Geld leben können, das Clothilde als Wehmutter verdiente.
Gesättigt hörte das Kind auf zu saugen, ließ Elises Brustspitze los und schlummerte ein. Elise legte ihren Sohn auf das Tagesbett neben sich, als sie an der Haustür ein Klopfen hörte. Die Hebamme ging zur Tür. Wahrscheinlich irgendein aufgeregter Ehemann, dessen Frau Wehen bekommen hatte.
„Elise, Ihr habt Besuch“, rief Clothilde.
Das musste Jean sein. Hastig begann Elise, ihr Mieder zuzuschnüren. Sie freute sich über sein Kommen, obgleich es schade war, dass der Kleine gerade ein Nickerchen machte. Thomas war ein so artiges Kind, dass sein stolzer Onkel ihn nur selten wach erlebt hatte. Vielleicht konnte sie ihren Bruder dazu bewegen, ihr zu helfen, wieder in ihr eigenes Häuschen auf der anderen Seite des Platzes zu ziehen. So sehr sie diese freundliche, lebhafte Familie auch mochte, sehnte sie sich doch nach der Ruhe ihres eigenen Heimes. Clothilde drängte sie, einen Monat bei ihr zu bleiben, aber Elise fand, dass sie nicht länger Hilfe brauchte, und sie fragte sich auch, ob Clothilde sich lediglich weiterhin die Milch sichern wollte. Sie würde der Hebamme sagen, dass sie so viel Milch bekommen könnte, wie ihre Familie benötigte.
„Ein schönes Kind, Madame Elise“, sagte eine männliche Stimme, die nicht Jeans war.
Elise blickte rasch auf und sah das fleischige Gesicht von Alain Blanchard, der jetzt unverschämt grinste, während er mit hungrigen Augen zusah, wie sie mit zitternden Händen das Zuschnüren ihres Mieders beendete.
„So sieht man sich wieder, Madame!“
„Blanchard! Was tut Ihr hier? Wie habt Ihr mich gefunden? Hat Jean es Euch erzählt?“ Elise fühlte, wie sie vor Verlegenheit rot wurde, und ärgerte sich darüber. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Bruder diesem widerwärtigen Mann ihren Aufenthaltsort mitgeteilt hatte, aber möglicherweise war es ihm ungewollt entschlüpft.
Blanchard lachte herzhaft und genoss ihr Unbehagen. „Dieser wortkarge Pedant? Natürlich nicht“, erwiderte er. „Er hat gesagt, Ihr wärt bei Freunden, da seine Pflichten ihn jetzt so viel in der Zitadelle festhielten. Doch ich bin kein Dummkopf – ich habe Euch durch die Straßen stolzieren sehen mit Eurem wachsenden Bauch, und eines Abends bin ich Jean gefolgt, als er hierher kam. Ja, und ich habe auch den stolzen Onkel gesehen, der dieses Kind auf den Arm nahm. Was ist es, Madame, sein Neffe oder seine Nichte?“
„Es ist ein Junge“, gab
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