HISTORICAL EXCLUSIV Band 23
Vorfall half ihm tatsächlich, denn er hörte die Männer stehen bleiben und dem Graubart aufhelfen, während sie alle den Mann auf einmal mit Fragen bedrängten. Ein Glück für Adam, dass der Bürger stocktaub war und die Fragen der Verfolger sie kostbare Augenblicke aufhielten. Als sie die Jagd wieder aufnahmen, waren sie zwar nicht weit hinter ihm, hatten ihn aber aus den Augen verloren.
Seine Lungen brannten, als er versuchte, Luft zu holen. Schweiß lief ihm zwischen den Schulterblättern über den Rücken. So also fühlt sich ein Reh, das von einer Meute bellender Jagdhunde gehetzt wird, dachte er, als er Stimmen weiterer Verfolger aus einer Nebenstraße hörte, die sich der Meute anschlossen. „Ein Spion! Ein englischer Spion! Er trägt bescheidene Bauernkleidung, ist aber zu groß und muskulös, um ein Bauer zu sein!“
Als er ans Ende einer Straße kam, hatte er die Wahl, sich nach rechts oder nach links zu wenden und entschied sich für links, da er meinte, in dieser Richtung den Fluss riechen zu können. Er hatte keine Zeit, lange zu überlegen, denn die „Meute“ war nicht weit entfernt.
Die von ihm gewählte Straße wand sich an Häusern und Läden vorbei, hatte aber keine Seitenstraßen. Adam umrundete eine Kurve und erkannte, dass er in eine Sackgasse geraten war. Jetzt saß er in der Falle. Er hörte die Verfolger hinter sich, obgleich die Kurve ihn noch vor ihren Blicken verbarg, und in Kürze würden sie ihn eingeholt haben und zusammenschlagen, bevor sie ihn von der Schutzwehr aufhängten.
Verzweifelt rannte er zu einer Haustür und betete, dass sie nicht verschlossen war. Als sie sich öffnen ließ, schlüpfte er ins Haus. Er hörte einen Laut, während er keuchend nach Atem rang.
„Wer ist da?“, fragte eine zittrige Stimme vom Kamin her, in dem ein einziger Holzklotz brannte und Rauch verbreitete. Adam spähte in den dämmrigen Raum und sah eine weißhaarige Frau in einem Sessel am Feuer.
„Wer ist da?“, rief sie erneut. „Ich bin blind – nehmt, was Ihr wollt, aber bitte tut mir nichts!“
„Ich will Euch kein Leid zufügen, gute Frau“, sagte Adam sanft und hoffte, sein Akzent würde die Alte nicht veranlassen, schreiend zur Tür zu laufen. „Ich bin nur ein Bettler, der beim Stehlen eines Kapauns aus der Speisekammer eines Kaufmanns erwischt worden ist. Ich habe den Vogel fallen gelassen, aber sie geben nicht auf! Seid barmherzig, gute Frau, und verratet mich bitte nicht – sie werden mir sonst gewiss meine Hand abschneiden.“
Draußen hörte er seine Verfolger an dem Haus vorbeirennen und dann verwirrt innehalten, während sie einander zuriefen: „Ist er nicht hier entlanggekommen? Ich bin sicher, dass er diese Straße genommen hat. Jacques, geh mit Hébert und nehmt die andere Abzweigung. Wir durchsuchen inzwischen diese Häuser und vergewissern uns, dass er sich nicht dort irgendwo versteckt …“
„Bitte, Madame, sie werden gleich an Eure Tür klopfen. Kann ich mich irgendwo verstecken? Gott wird Euch Eure Barmherzigkeit lohnen …“
„Dort unten.“ Die alte Frau deutete auf eine Falltür neben dem Kamin.
Adam hob die Falltür und sah, dass sie in einen Keller führte. Als er in der kühlen Dunkelheit unterhalb der Falltür stand, die er hinter sich geschlossen hatte, hörte er die Alte ihren Sessel genau über die Falltür schieben. Gleich darauf wurde die Haustür aufgerissen, und er vernahm polternde Schritte. Adam segnete die Blinde im Stillen, denn sie leugnete, dass in den letzten paar Minuten jemand in ihr Haus gekommen war.
Nachdem die Männer wieder gegangen waren, hatte Adam sich bei der alten Witwe bedankt, woraufhin diese darauf bestand, die Suppe in dem Topf über dem Feuer mit ihm zu teilen. Kurz darauf war sie in ihrem Sessel am Herd eingeschlafen und schnarchte vor sich hin, während Adam über sein knappes Entkommen nachdachte und sich fragte, ob es ihm wohl gelingen würde, Rouen lebend zu verlassen.
Der Nachmittag verging allmählich, und es wurde Abend. Einen Augenblick lang überlegte Adam sogar, ob man ihn als Spion entdeckt hatte, weil Elise ihn gesehen und Alarm geschlagen hatte. War es dumm von ihm gewesen zu glauben, dass die Französin, die er liebte, ihn mehr lieben konnte als ihr Land?
Dann schalt er sich einen zweifelnden Dummkopf, der vor Angst den Verstand verloren hatte. Elise würde so etwas nicht tun. Er vertraute dem, was der Zwerg ihm erzählt hatte. Seine Geliebte war gerade wegen der Selbstlosigkeit ihrer Liebe
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