Historical Exclusiv Band 44
ruhig zu bleiben. Ohne mit der Wimper zu zucken, blickte sie Kempthorne direkt in die Augen. „Nun, das sind erfreuliche Neuigkeiten. Ich wünsche Euch schon jetzt gute Reise.“
Zum ersten Mal schien Oliver in seiner zur Schau getragenen Gleichgültigkeit getroffen. Unsicher blickte er auf Anthony. „Falls Ihr keine weiteren Wünsche an mich habt, Lord Rutledge, würde ich mich gern verabschieden.“
„Das ist vielleicht am besten“, stimmte Anthony kühl zu.
„Bitte vergesst nicht, nach dem Pferd Ausschau zu halten.“
Sarah umklammerte die Tasse fester. „Um was für ein Pferd handelt es sich, Captain Kempthorne?“, fragte sie und lächelte gezwungen.
Anthony antwortete zuerst. „Einige der beraubten Opfer haben erwähnt, dass der Schurke einen außergewöhnlichen Hengst reitet. Er hätte die Farbe des mondhellen Himmels, meinten sie, obwohl sich das mehr nach romantischem Gefasel anhört.“
„Ganz egal, behaltet bitte diese Beschreibung im Gedächtnis, während Ihr hier in der Gegend die Pferdeställe besichtigt“, forderte Oliver ihn auf und erhob sich. „Ich werde mit Euch in Verbindung bleiben.“
Thomas Fairfax stand ebenfalls auf, um den Besucher bis zur Tür zu begleiten. Die beiden Männer verließen den Raum.
„Manche könnten behaupten, dass das Fell Eures Pferdes in der Farbe der mondhellen Nacht glänzt“, sagte Anthony unvermittelt.
Sarah sah ihn fest an. „Warum habt ihr diese Beobachtung nicht Captain Kempthorne mitgeteilt?“
„Ihr habt mir erzählt, dass nur Ihr den Hengst reitet.“
„Das stimmt.“
„Was ist mit Eurem Onkel? Benutzt er ihn nicht für seine Ausritte? Oder Euer Freund Master Partridge?“
„Brigand gehört ausschließlich mir.“
Anthony lehnte sich im Stuhl zurück. Diesmal war er überzeugt davon, dass sie die Wahrheit sprach. Er hoffte für sie und auch für sich, dass ihn sein Instinkt nicht trog. „Dann besteht kein Grund, der Obrigkeit davon zu berichten.“
Sarah atmete erleichtert auf. „Dafür danke ich Euch. Ich glaube, für die nächste Zeit habe ich genug Ärger mit den Ordnungshütern gehabt.“
„Was haltet Ihr davon, die ganze Angelegenheit für eine Weile zu vergessen und den Tag mit mir zu verbringen? Wir könnten unseren Ausritt fortsetzen.“
Sarah stellte ihre noch halb gefüllte Tasse auf den Tisch zurück und stand auf. „Es tut mir leid, Euren Vorschlag ablehnen zu müssen. Wenn Ihr einen Führer braucht, wendet Euch doch bitte an einen der Stallknechte. Ich würde dem Pastor gern etwas Warmes zu essen in seine Gefängniszelle bringen.“
Anthony zeigte seine Enttäuschung nicht. „Gut, dann werde ich Euch dorthin begleiten.“
Sarah blieb an der Tür stehen, um ihm zu antworten. „Nein, danke. Ich fürchte, im Moment ist die Stimmung im Ort gegen Leute Eures Standes nicht gerade die beste, Mylord. Es ist kein Geheimnis, dass die Leute dem König nicht mehr viel Wohlwollen entgegenbringen, seit seine Steuereintreiber jeden, der die ungerechtfertigt erhöhten Abgaben nicht mehr bezahlen kann, in den Kerker werfen. Nun haben sie auch noch einen der beliebtesten Männer der ganzen Gegend gefangen gesetzt. Es wäre wohl besser für Euch, wenn Ihr Eure Geschäfte hier möglichst bald abschließen und nach London zurückkehren würdet, wo Ihr hingehört.“
Anthony sah Sarah den ganzen Tag nicht mehr. Der Rechtsbeistand der Fairfax, Francis Montague, ein ungemein flinker Mann, der ständig mit den Fingern auf den Tisch trommelte, während er sprach, war eingetroffen. Er hatte das Gut kurz verlassen und war dann zurückgekehrt, um Sir Thomas darüber zu informieren, dass er den Landvikar Hollander im Gefängnis besucht habe und sich in ein paar Tagen mit den neuen Ergebnissen seiner Untersuchung des Falls melden würde.
Anthony hatte einen ruhelosen Nachmittag verbracht. Er hatte die Pferde eines nahe liegenden Landsitzes begutachtet. Die Besitzer verhielten sich unterwürfig und anbiedernd und versuchten pausenlos, ihm gegenüber zu versichern, dass sie schon immer treue Anhänger des Königs gewesen seien, auch in all den Jahren der Republik und während der heftigsten Auseinandersetzungen mit den Puritanern.
Zum Abendessen erschien Sarah in einem streng geschnittenen, dunkelgrauen Kleid und ordnete mit knappen Worten und ernster, verschlossener Miene vom Kopfende der Tafel aus die Speisenfolge an. Sie vermied es, Anthony anzusehen, dessen Enttäuschung bei jedem Menügang zunahm. Während die Diener die Reste der
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