Historical Exklusiv Band 06
Gürtel trug, vermutete James, dass er der Lieblingsbeschäftigung aller Jungen auf der ganzen Welt nachging und wilde Kämpfe gegen eingebildete Drachen und andere Gegner ausfocht.
Der Junge musterte den Besucher von oben bis unten. "Ja, Sir?"
"Mein Name ist Kerrick. Ich bin der Kapitän der Phoenix, und ich möchte deine Schwester sprechen."
Zu seiner Überraschung schob der Junge kampflustig das Kinn vor. "Sie sind der Mann, der vergangene Nacht so grob zu Sarah war."
James runzelte die Stirn. "Sie hat dir davon erzählt?"
"Sie hat mir erzählt, dass Sie ihr nicht bei der Suche nach Papa helfen würden und dass Sie nicht sehr nett zu ihr waren." Er legte die Hand auf das Heft seines Spielschwertes. "Ich sollte Ihnen den Kopf abschlagen und Ihr Gehirn an die Fische verfüttern."
Nach einem enttäuschenden Tag, an dem er Bestechungsgelder und Drohungen gleichermaßen freigebig verteilt hatte, war James nicht mehr in der Stimmung für weitere Verzögerungen, schon gar nicht für kindliche Drohungen. Noch immer hatte er keinen Lotsen gefunden – aber dafür hatte er Anweisungen vom Hafenmeister erhalten, endlich Anker zu lichten. Wu Ping-chien hatte verfügt, dass die Phoenix mit der morgendlichen Flut flussaufwärts fahren und ihre Fracht in Kanton unter den aufmerksamen Blicken der kaiserlichen Inspektoren löschen sollte. Die Tatsache, dass ihm dies mitgeteilt wurde, während Lord Blair, der oberste Agent der East India Company, mit hämischem Grinsen zuschaute, ließ James' Entschluss, die Anweisung zu umgehen, endgültig unumstößlich werden.
Er beabsichtigte durchaus, Anker zu lichten. Heute Nacht noch. Und er würde die Küste hinaufsegeln. Er wollte verdammt sein, wenn er die Hälfte seines Gewinns dafür ausgab, chinesische Zollbeamte zu bestechen, und dann noch ein weiteres Zehntel an die East India Company abtrat.
Zuerst allerdings musste er an diesem widerborstigen, blutrünstigen Winzling vorbeikommen und mit seiner Schwester sprechen. James hatte in den vergangenen Jahren auf seinem Schiff mit genügend Jungen zu tun gehabt, um zu wissen, wie er mit diesem hier umgehen musste. Er setzte eine ernste Miene auf und nickte.
"Wenn jemand grob zu meiner Schwester gewesen wäre, würde ich auch sein Hirn an die Fische verfüttern wollen", meinte er. "Ich hoffe trotzdem, dass du mich verschonst, denn ich bin gekommen, mich zu entschuldigen."
Der Junge blickte noch immer finster drein, während er über Kerricks Worte nachdachte. "Werden Sie Sarah nun dabei helfen, Papa zu finden?"
"Jawohl, das werde ich, mein Junge."
Die bedrohliche Miene des Kindes löste sich auf wie eine Wolke im Wind. Er machte auf dem Absatz kehrt, stürmte ins Haus und rief nach Sarah.
James folgte ihm langsam. Er hatte nicht direkt gelogen. Er würde Miss Abernathy helfen, ihren Vater ausfindig zu machen. Aber er würde es zu seinen Bedingungen tun, nicht zu ihren.
Er betrat ein Wohnzimmer, in dem die Möbel aus aller Herren Länder zusammengetragen worden waren. Mit den Jahren waren sie schäbig geworden. Ein Sofa mit verschlissenem Bezug stand vor einem bestickten Ofenschirm. Die weiteren Sitzgelegenheiten bestanden aus einem Sortiment der verschiedensten Stühle, einige waren aus Bambus gefertigt, andere aus Rattan und einer, wie James bemerkte, aus dunklem Mahagoni, verziert mit Schnitzereien, wie man sie im Gebiet des oberen Ganges fand. An einer Wand stand ein Tischchen, das einst vielleicht ein englisches Landhaus geschmückt haben mochte, darauf ein blau-weiß gemustertes Porzellanservice, das in der westlichen Welt so hoch geschätzt wurde und so wenig wert war hier, in dem Land, in dem es hergestellt wurde. An den Wänden hingen gerahmte Aquarelle, die offensichtlich von der Hand eines Amateurs stammten. Bücher, einige Umschlagtücher und ein Kricketschläger, der achtlos in eine Ecke geworfen worden war, fügten sich zu dem heiteren Ensemble.
Manche Leute mochten diesen Raum gemütlich finden. Nachdem er einen großen Teil seiner neunundzwanzig Lebensjahre an Bord eines Schiffes verbracht hatte, wo jeder Holznagel und jedes Tau seinen festen Platz hatten, fand James den Raum für seinen Geschmack viel zu überfüllt.
Beim Klang hastiger Schritte drehte er sich um. Einen Augenblick später eilte Sarah Abernathy herein. Atemlos und aufgeregt, wie sie war, hielt sie sich nicht mit höflichen Nichtigkeiten auf, sondern kam gleich zur Sache.
"Charlie hat mir gesagt, dass Sie Ihre Meinung geändert haben und mir
Weitere Kostenlose Bücher