Historical Exklusiv Band 06
auch bewusst, dass sein Verdacht genügte, um sie fürchterlichsten Folterqualen und langer Kerkerhaft auszusetzen, vielleicht sogar dem Tod. Nein, er hatte nicht das Recht, so zu handeln, bei Gott, das wollte er nicht.
Rosalind faltete die Hände, während Nick weiter die Wände abklopfte und ihre Kleidertruhen durchwühlte. Er rasselte mit den Muscheln in den Körben, hob dann die Weinfässchen von der Strohmatte und schob diese beiseite.
"So", sagte er, und seine Stimme war wieder voller Triumph, "was haben wir denn hier Schönes?"
Rosalind hatte sich auf der Rückfahrt von Boulogne schon ausgedacht, was sie sagen würde, wenn Nick den Geheimgang entdeckte. "Wieso? Ich begreife nicht, dass ein Versteck und ein Fluchtweg für die Sicherheit der Familie deinen Argwohn erregen können", erwiderte sie mit geheuchelter Überraschung und stellte sich neben ihn, als er die Tür an dem Metallring emporzog und in die dunkle Tiefe starrte.
"Es ist ein versteckter Ausgang für den Fall, dass eine Flucht notwendig wird. Der Gang führt unter dem Garten hindurch und endet am Rande des kleinen Tales", erklärte Rosalind. "In den Küstengebieten lebt man seit Jahrhunderten mit der Bedrohung durch Überfälle. Schon seit den Zeiten der Normannen haben viele Häuser hier solche unterirdischen Fluchtwege. Und seitdem der König die Kirche verfolgt, die er einstmals geschützt hat, haben auch viele neue Häuser, in denen Menschen leben, die für den alten Glauben eintreten, solche Fluchtmöglichkeiten. Und weiß man, ob man sie nicht auch gegenüber den Bedrohungen durch die Franzosen gebrauchen wird? Warte, ich hole eine Kerze und führe dich. Dann kann ich dir auch gleich die Kellerräume zeigen."
Rosalind hoffte, dass ihre Bereitwilligkeit und ihre Zugeständnisse Nick zurückhalten würden. Offensichtlich war ihr damit Erfolg beschieden. Dabei hatte sie ihm das alles nur angeboten, weil sie genau wusste, dass während ihrer Abwesenheit keine neuen Lieferungen gekommen waren und die Lager zur Zeit leer sein mussten. Außerdem hatten die Schmuggler schon seit der Ankunft des Lord Lieutenants keine Waren mehr in den Kellern des Wirtshauses untergebracht. Und wenn Nick die Höhlen im Wald entdecken würde oder die leeren Grüfte in der Kirche St. Leonhard, wo die letzte Sendung gespeichert worden war, konnte er keine bestimmte Person damit in Verbindung bringen und musste ganz Deal verdächtigen.
"Soll ich nun die Kerze holen?" wiederholte sie hilfsbereit, während Nick sie wortlos betrachtete.
"Nein, ich werde später ein paar meiner Leute hinunterschicken. Ich selbst werde mir die anderen Wunder ansehen, die dieses scheinbar ganz normale Haus wohl noch zu bieten hat."
Nun durchstöberte Nick alle weiteren Räume. Fast eine Stunde lang inspizierte er Kammern und Dachböden, gefolgt von Rosalind, die ihn nicht aus den Augen ließ. Die inzwischen eingetroffenen Männer hatte er in den Keller geschickt.
Verärgert stellte Rosalind fest, dass Putnams Gehilfe Roger Shanks schon wieder hier herumlungerte. Doch Percy würde ohnehin schnell genug erfahren, dass der Lord Lieutenant gegen sie selbst und den Gasthof "Rose und Anker" einen Verdacht hegte. Percy Putnam auf Schmugglerjagd wäre das Letzte, was ihr noch gefehlt hatte!
Wieder in ihrer Kammer, wartete Nick mit finsterem Blick, bis seine Leute aus dem Untergrund wieder heraufkletterten. Sie waren voller Staub und blickten Rosalind argwöhnisch an. Einer von ihnen blies die Kerze aus, ging zu Nick und gab ihm einen Fetzen Seide. Abermals ein neues Missgeschick, nachdem sie Nick gerade beruhigt hatte! Der Schnipsel musste von dem beschädigten Ballen abgerissen sein, als er hinausgeschleppt wurde.
"Das ist ja ein interessantes Fundstück", sagte Nick, als die Männer den Raum verlassen hatten, und warf den Stofffetzen auf den Tisch. "Es ist mir noch gar nicht aufgefallen, dass du solch kostbares Zeug trägst."
"Viel zu fein für mich", erwiderte Rosalind und versuchte, seinen ironischen Ton zu treffen. "Sieht aus, als könnte es eine von deinen Hofdamen tragen."
"Genau, aber hier gibt es keine."
Rosalind zuckte die Schultern. Sie war so hungrig, so müde, so am Ende.
"Vielleicht erzählst du mir als Nächstes, dass die Normannen das zurückgelassen haben? Und wenn jemals Priester diesen Gang benutzt haben, nachdem Seine Majestät die Klöster geschlossen hat, müssen es merkwürdige Heilige gewesen sein, wenn sie so etwas getragen haben. Dein Spiel ist aus, meine
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