Historical Exklusiv Band 06
Beweis in den Kerker, wozu sein Amt ihn zweifellos ermächtigte. Aber andererseits unterband er damit jedweden freien Handel, wie sie den Schmuggel nannte, und ohne den würden dem Dorf schwere Zeiten in diesem Winter bevorstehen. Das Wetter ließ bereits kaum noch Fischfang zu, und bald mussten Nahrungsmittel meilenweit über zerfurchte und verschneite Straßen herangeholt werden, während daheim hungrige Kinder warteten.
"Also?" Nicks Stimme riss sie aus ihren qualvollen Gedanken. Seine Augen unter den halb geschlossenen Lidern waren wie Stahl. Ein kalter Schauer rann ihr über den Rücken, doch er stärkte auch ihren Entschluss. Es gab keine Möglichkeit, ihm zu helfen, ohne sich selbst, die Kumpane und ganz Deal der völligen Vernichtung auszuliefern.
"Was soll ich dazu sagen, Mylord? Ihr habt einmal versprochen, das kleine Deal zu unterstützen, und nun richtet Ihr es zugrunde. Ich werde jetzt gehen. Zwischen uns gibt es nichts mehr, denke ich."
Diese Abschiedsworte verletzten Nick mehr als alles zuvor. Selbst ein neuerliches wildes Aufbegehren wäre besser gewesen als diese Haltung. Rosalind hob die Pergamentrolle auf, legte sie auf den Tisch und ging mit dem leeren Korb zur Tür. Als sie nach der Klinke griff, kam Nick herbeigeeilt und hielt ihre Hand fest.
"Es soll wirklich nichts geblieben sein?" drängte er. "Was ist mit unseren Gefühlen füreinander? Was mit deiner Antwort auf meine Liebkosungen?"
Er wollte sie in seine Arme reißen und so heftig küssen, dass sie es nie mehr vergessen könnte. Er wollte in diesen eigensinnigen Kopf eindringen, wollte von ihrem steinernen Herzen Vertrauen fordern. Er wollte sie zu dem Geständnis ihrer Liebe zwingen … doch er wusste, dass es besser war, es nicht zu tun.
Langsam stützte Nick seine Handflächen neben Rosalinds Kopf gegen die Tür und schob zart ihre Kapuze wieder herab. Er fühlte sich wie berauscht von ihrer Gegenwart. In der graugrünen Tiefe ihrer weit geöffneten Augen konnte er sein Spiegelbild sehen. Ihre Lippen zitterten. Nick wagte kaum, Rosalind zu berühren, und betete verzweifelt, sie möge einen Weg finden, ihm zu helfen. Er wollte nicht gezwungen sein, alles, was sie liebte, zu zerstören.
Wie schwerelos schwebte Rosalind durch Zeit und Raum. Sie sollte Nick von sich stoßen, vor ihm fliehen – doch sie konnte es nicht. Verwirrt erkannte sie plötzlich, wie ähnlich sie sich waren trotz ihrer so oft erklärten Feindschaft. Beide waren zutiefst treu dem, woran sie glaubten, und den Menschen, die ihnen vertrauten. Wie weltenweit auch ihre Vergangenheit voneinander entfernt sein mochte, konnte nicht ihre Zukunft friedlich miteinander verschmelzen? Doch sie wusste die Antwort darauf bereits. Sosehr es sie danach verlangte – es konnte nicht sein.
Tief atmete sie seinen Duft nach Leder und Gewürznelken ein. Sie durfte seine Nähe nur kosten, seine Stärke, diese feurige Kraft, die zwischen ihnen zuckte wie Sommerblitze auf dem Meer. Und sie würde die Erinnerung an seine Zärtlichkeit, die er manchmal zeigte, bewahren.
Langsam neigte Nick den Kopf und berührte zart ihren Mund mit seinen Lippen. So sanft, so weich, dachte sie. Mit einem tiefen Seufzer öffnete Rosalind die Lippen, doch der Kuss dauerte nur einen Augenblick. Als sich sein Mund entfernte, stand sie wie gelähmt da. Das war das Ende all ihrer Gemeinsamkeit, wenn es die denn je gegeben hatte.
"Das wird immer zwischen uns sein", flüsterte er, "was ich auch immer werde tun müssen, um die Sicherheit der Festung zu wahren und dem Schmuggel Einhalt zu gebieten."
Verwirrt nickte Rosalind. Sie verstand, dass er seine Pflicht erfüllen musste, doch es machte die Dinge nur schlimmer, dass auch er innerlich zerrissen war. Sie ging zur Seite, als er die Tür für sie öffnete. Es war wie ein Abschied gewesen.
"Kapitän!" rief Nick. "Bringt Mistress Barlow zum Gasthof zurück. Sie bleibt dort weiter unter Arrest. Mit Bewachung kann sie tagsüber in der Ortschaft Freunde besuchen."
Rosalind war dankbar für die neue Freiheit, doch sie überlegte, dass er vielleicht die Leine nur etwas lockerer gemacht hatte, damit sie sich darin verfing so wie Wat, der daran am Galgen hängen würde. Oh, verwünscht sei dieser Mann!
Mit dem Korb am Arm, folgte Rosalind Kapitän Delancey durch das Gewirr der Gänge hinaus in die kalte Nacht.
Im letzten Augenblick entschloss sich Rosalind an einem stürmischen Morgen Mitte Dezember doch noch, ihrer Schwester ihren Segen zur Vermählung mit
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