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Historical Exklusiv Band 06

Historical Exklusiv Band 06

Titel: Historical Exklusiv Band 06 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caryn Cameron Merline Lovelace
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die Phoenix vor der Insel Namoa vor Anker ging, etwa dreihundert Meilen nördlich von Macao. Sarah befolgte die Befehle des Kapitäns, zog sich den geborgten Hut tief ins Gesicht und hielt sich ansonsten außer Sichtweite. Vielleicht hätte sie unter Deck gehen sollen, aber sie sah sich außer Stande, die Gelegenheit zu versäumen, einen Blick auf eine Bande von Schmugglern zu werfen, die gerade ein Geschäft abschlossen.
    Die Mannschaft hatte kaum die Segel gerefft, da setzte die Dschunke, die vor dem Hafen patrouillierte, schon ein Boot aus. Als die flache Schute herankam, sah Sarah einen chinesischen Beamten, den sie an dem roten Glasknopf an seinem Hut erkannte. Er saß bequem mittschiffs auf einem Lehnstuhl, beschattet von einem großen bestickten Seidenschirm. Begleitet wurde er von vielen Schreibern.
    "Wer ist das?" fragte sie John Hardesty, den der Kapitän geschickt hatte, um sie zu bewachen.
    Der Matrose kniff sein Auge zusammen und betrachtete die Schute, die immer näher kam. "Ich weiß es nicht genau, Miss, aber ich vermute, er ist der Hafenmeister."
    "Der Hafenmeister?" Sarah stockte der Atem. "Wird er uns einsperren?"
    Hardesty lachte auf. "Er kommt doch nur wegen seines Bestechungsgeldes."
    Ehe er jedoch das Geld annahm, zelebrierte der Chinese ein kunstvolles Ritual, um sein Gesicht zu wahren und seine Ehre nicht zu verlieren. Begleitet von seinem Gefolge, kam er an Bord und nahm die höfliche Begrüßung durch den Kapitän und den ersten Maat entgegen. Sie boten ihm den bequemen Platz unter einem Sonnensegel an, das eigens für diese Gelegenheit mittschiffs aufgespannt worden war, und boten ihm Wein und eine Schachtel mit Zigarren an. Der Duft von Tabak zog an Sarahs Versteck vorüber, zusammen mit den Stimmen. Gespannt hörte sie, wie der Hafenmeister mit Hilfe eines Dolmetschers anfragte, warum die Phoenix bei Namoa vor Anker lag, obwohl doch ausländische Schiffe keinen anderen Hafen als Kanton anlaufen dürften.
    "Ich wäre nicht nach Namoa gesegelt", erwiderte Straithe ernsthaft, "hätte der Wind mich nicht von meinem Kurs abgebracht. Ich bitte um Verständnis und um die Erlaubnis, Wasser und Proviant aufnehmen zu dürfen."
    Der Beamte blies eine duftende Rauchwolke aus. Mit einer trägen Handbewegung weckte er die Aufmerksamkeit des Dolmetschers. Der Mann zog eine rote Urkunde aus seinem Ärmel, entrollte sie und verlas den Inhalt mit hoher Stimme in melodiösem Englisch.
    "Nach einem kaiserlichen Edikt von Guo-Dong, zwölftes Jahr, dritter Mond, zweite Sonne! Fremde Barbaren dürfen nur in Kanton Handel treiben, sonst wird ihnen umgehend der Kopf vom Körper getrennt."
    Sarah schluckte schwer. Zu wissen, welche Strafe ihr drohte, wenn sie mit Straithe segelte, war eine Sache. Zu hören, wie man sie laut verlas, eine andere.
    "Seine erhabene Majestät jedoch besitzt ein himmlisches Mitgefühl, sogar für jene Barbaren, die dessen nicht wert sind", fuhr der Dolmetscher fort. "Einem Schiff in Not verweigert er nicht seine Hilfe. Ein solches Schiff soll mit dem nötigen Proviant versehen, indes angewiesen werden, mit der nächsten Flut Anker zu lichten und auf direktem Wege Kanton anzulaufen. So lautet der kaiserliche Erlass, und so soll es geschehen!"
    "Und so lautet Ihre Anweisung", teilte der Hafenmeister durch den Dolmetscher mit.
    "Und so werden wir es handhaben", erwiderte der Kapitän.
    Der Schreiber rollte die rote Urkunde mit einer einzigen geschickten Handbewegung auf und verbeugte sich. Eine weitere träge Handbewegung seines Vorgesetzten schickte ihn und die anderen zurück auf die Schute. Die beiden Männer, der Hafenmeister und der Kapitän bedienten sich von nun an des Pidgin-Englisch und besprachen die wirklichen Geschäfte.
    "Genau wie letztes Mal, als wir hier waren?" fragte Straithe höflich.
    Der Chinese lächelte nur. "Genau so."
    Der Kapitän hatte das Bestechungsgeld schon bei der Hand. Er reichte seinem Gast eine schwere Tasche. Der Klang von Metall gegen Metall hallte über Deck.
    "Zahlt er in Münzen?" flüsterte Sarah Hardesty zu.
    "Kleine Silberbarren. Wir nennen sie 'spanische Tränen'. Diese Dreckskerle – verzeihen Sie, Miss – akzeptieren außer ihnen nur das Opium als Währung, und der Kapitän weigert sich nun einmal, damit zu handeln."
    Widerstrebend warf sie Straithe einen anerkennenden Blick zu. Eine Böe erfasste sein schwarzes Haar und die Enden der schneeweißen Krawatte, die er in Erwartung des Besuchs durch den hohen Beamten am Morgen angelegt hatte.

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