Historical Exklusiv Band 36
Luft, um die ungewohnten Gerüche zu schnuppern.
Nach dem morgendlichen Ritt hatte St. Aubin sich wieder zurückgezogen. Genevra hatte ihre Enttäuschung darüber verborgen und beschlossen, nicht mehr daran zu denken. Sie musste sich mit den wechselhaften Launen ihres Gemahls abfinden.
Ein kleiner Weiler befand sich am Ausgang der Spalte, die der Bach in den Felsen gegraben hatte, und von da führte ein breiterer, ausgetretener Pfad steil bergauf. Sie hatte das Gefühl, als gäbe es hier jetzt doppelt so viele Hütten als früher. Keine stand einst so weit unter der Klippe wie heute.
„Sie werden doch gewiss weggeschwemmt, falls ein böser Sturm kommt“, bemerkte sie, als sie kurz vor Alan und Meg zwischen den mit Tang und Muscheln behafteten Felsen auftauchte, um St. Aubin am Ende des Pfades am Strand zu treffen. Sie zog den Rock zurecht und ließ ihn wieder bis zu den Knöcheln fallen. „Manche dieser Hütten sind neu, nicht wahr, Meg?“
Auch Meg war beschäftigt, ihr Aussehen wieder respektabel zu machen. „Ich glaube ja, Mylady. Das Dorf ist größer geworden. Es liegen auch mehr Boote am Strand, als ich mich erinnern kann und …“, sie deutete zu einer Gruppe von Fischern und ihren Familien, die damit beschäftigt waren, den Fang aus den Netzen zu holen, „… mehr Leute. Es sieht nicht so aus, als wäre die Flut in der letzten Zeit so weit heraufgekommen.“
„Das ist wahr.“ St. Aubin hatte den Ort genau betrachtet. „Ich denke, die Hütten stehen hier sicher genug. Der Strand steigt leicht an, und weiter oben auf den Felsen sieht man keinen Seetang mehr.“
Er blickte mit Wohlgefallen um sich, zu den hohen Klippen mit den großen Felsen und dem groben Kies, auf den Streifen goldenen Sandes, der sich jetzt bei Ebbe vor ihnen ausbreitete. Sein Blick folgte den Seemöwen, die kreischend über ihren Köpfen flogen. „Nun, meine Herrin von Merlinscrag, dies ist Euer Strand. Wir hätten die Pferde mit nach unten nehmen sollen.“
„Morgen, Mylord! Sobald die Flut es erlaubt!“
„Der Sand sieht trocken aus. Gehen wir ein wenig und benutzen dann für unseren Rückweg den Pfad vom Weiler aus. Diese Leute sind doch auch Untertanen von Merlinscrag, oder?“
„Ja, Mylord, doch es sind keine Hörigen. Die Fischer sind freie Männer, die hier leben, weil sie es so wünschen. Sie bezahlen Pacht für ihre Hütten, die meisten von ihnen mit Fisch. Wir sollten mit ihnen reden.“
Als sie den Pfad zwischen den Hütten hinaufstiegen, blickte sich Genevra um und erwiderte den Gruß einer jungen Frau, die ein kleines Kind im Arm hielt. Dabei stolperte sie über einen Stein, der vor ihr auf dem Weg lag. Ihr Fuß knickte um, und sie wäre auf den schmutzigen Boden gefallen, hätte St. Aubin sie nicht aufgefangen. Sie klammerte sich an ihn und versuchte, das Gleichgewicht auf einem Bein zu finden, denn ein stechender Schmerz durchzuckte ihren Fuß, als sie versuchte aufzutreten.
Fest hielt er sie in seinen starken Armen und raubte ihr den Atem. Sie schien dahinzuschmelzen, blickte auf, und was sie in seinem Gesicht lesen konnte, ließ ihre Sinne schwinden. Rasch schloss sie die Augen und atmete schwer.
Er ließ sie nicht los. Seine Arme umschlossen nur noch fester ihren zitternden Körper. „Habt Ihr Euch wehgetan?“ Seine Stimme klang leise, nicht lauter als ein heiseres Flüstern.
Als die Wellen der Erregung abebbten, atmete sie tief durch. „Nein, ich glaube nicht, nicht schlimm … mein Knöchel …“
Sie setzte ihren Fuß auf den Boden und versuchte zu stehen. Der Schmerz hatte schon nachgelassen. Eilig war Meg näher gekommen. Doch Genevra hatte es nicht bemerkt, ihre Aufmerksamkeit war allein auf St. Aubin gerichtet.
Ihre Blicke trafen sich, und ein tiefes Glücksgefühl durchströmte sie, da sie an seiner Schulter lag. Ihre Stimme bebte, als sie nun sagte: „Es ist nichts, Gemahl. Ich kann gehen.“
Sein Atem beschleunigte sich, als er sie fester an sich drückte. Da Meg die innige Umarmung bemerkte, zog sie Alan mit sich und setzte ihren Weg fort.
„Alle Heiligen!“, murmelte St. Aubin. „Ich begehre dich, Weib.“
Genevras Herz klopfte zum Zerspringen. „Und ich begehre Euch, mein Gemahl“, gestand sie atemlos. Ihre Augen versprachen höchste Freuden, als sie leise hinzufügte: „Morgen Nacht bin ich für Euch bereit.“
7. KAPITEL
W artend lag Genevra in ihrem großen Bett. Wind und Regen rüttelten an den Fensterläden, und ein kalter Luftstrom wehte durchs Zimmer. Das Wetter
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