Historical Exklusiv Band 36
verletzt fühlte.
Er beugte sich über sie. Ihre Haare waren zwar noch unter dem Netz geborgen, doch es war verrutscht und zerzaust. Er konnte den Wunsch kaum unterdrücken, mit seinen Fingern durch die dicken braunen Strähnen zu fahren, die unter dem Schleier hervorlugten. Sein Zorn wuchs. Sie besaß zu viel Macht über ihn. „Trocknet Eure Tränen“, stieß er grob hervor. „Seid dankbar, dass ich Euch nicht geschlagen habe.“
Genevra beantwortete seine harten Worte mit einem zaghaften Lächeln, so süß und lieblich, dass sein Atem stockte. Dagegen hatte sein Zorn keine Macht mehr.
„Es sind Tränen des Glücks, mein Gemahl.“ Ihre Stimme war so unsicher wie ihr Lächeln. „Sir Drogo ist für immer weg, Ihr seid wieder hier bei mir, und wir haben die ehelichen Beziehungen wiederaufgenommen.“
Sein Zorn war besiegt. Sie aber durfte nicht erfahren, welche Macht sie über ihn besaß. „Ihr seid meine Frau. Was immer ich von Euch denke, ich habe das Recht …“
Genevra legte ihren Finger auf seine Lippen, sodass er verstummte. „Und das Verlangen, Mylord. Verleugnet nicht die Freuden, die wir einander schenken.“
Er sank über sie und barg das Gesicht an ihrem Nacken. „Das tue ich nicht“, murmelte er. „Ich bete, dass dem Kind nichts geschehen ist.“
Sie strich über sein weizenblondes Haar. „Nein, mein Gemahl. Wie könnte Eure Liebe mich verletzen? Meg jedoch, die sehr weise ist, sagte mir, dass ich beim Reiten achtgeben soll, wenigstens bis zum fünften Monat. Das Auf und Ab im Sattel und die harten Bewegungen könnten dem Ungeborenen schaden. Außer es ist Gottes Wille, dass ich eine Fehlgeburt habe und das Kind nicht leben soll.“
Er hob den Kopf und blickte fragend in ihre leuchtenden grünen Augen. „Ist es Euer Wunsch, dieses Kind zu bekommen, Genevra?“
„O ja, Robert! Glaubt mir, es ist Eures, es kann von niemand anderem sein. Und ich möchte Euch so gerne einen Erben schenken. Noch mehr sehne ich mich danach, Euer Kind in meinen Armen zu halten.“
Sie wiederholte nicht, dass sie ihn liebte, und er erinnerte sie nicht an ihre früheren Erklärungen. Indes glaubte er, ihre Worte waren ernst gemeint.
Doch auch jetzt hatte er seine Stimme unter Kontrolle und sagte kühl: „Dann werden wir alles tun, was in unserer Macht steht, damit es sicher geboren wird.“
Draußen war es noch taghell. Die Zeit zum Abendmahl war nahe. Man musste sich den anderen Bewohnern der Burg zeigen. Er erhob sich vom Bett und richtete seine Kleidung.
„Soll ich Meg zu Eurer Bedienung rufen?“, fragte er Genevra, die noch immer auf dem Bett lag.
Sie schob ihre Röcke hinunter, setzte sich auf, fuhr sich mit den Händen über die Haare und lächelte. „Das wäre vielleicht klug.“
Robert erwiderte ihr Lächeln. „Wir müssen zum Abendmahl erscheinen, um den anderen zu zeigen, dass alles in Ordnung ist. Und ich gestehe, ich habe großen Appetit. Ich werde nach Meg schicken.“
Doch noch, bevor er das Schlafgemach verlassen hatte, ein großer, strahlender Ritter, zuversichtlich und selbstbewusst nach außen, waren die dunklen Zweifel zurückgekehrt.
Zu lange Jahre hatte er mit Enttäuschung und Misstrauen gelebt, um sie jetzt so einfach abstreifen zu können.
Genevra saß auf der Truhenbank und blickte abwesend auf ihre noch immer zitternden Hände, als ihre Dienerin das Gemach betrat. Sie blickte auf, als Meg entrüstet ausrief: „Mein armes Täubchen! Was hat er Euch angetan?“
Ihre Lippe war zwar noch geschwollen und schmerzte, aber das Lächeln, das auf Genevras Gesicht lag, beruhigte augenblicklich ihre Zofe.
„Nichts, was ein Mann nicht gewöhnlich mit einer Frau treibt.“ Sie stand auf und griff nach dem Spiegel. „Nur mein Haar muss geordnet werden. Und ich brauche Wasser und ein Tuch, um mich zu waschen.“
„Eure Lippe blutet. Wenn Ihr so in den Rittersaal hinuntergeht, werden alle glauben, er habe Euch geschlagen. Oder Euch Gewalt angetan.“
In Megs Stimme klang eine Frage mit, und Genevra schüttelte den Kopf. „Er hat mich nicht gezwungen, Meg. Eher war es umgekehrt.“ Sie lächelte geheimnisvoll, als sie ihre wunde Lippe berührte und das Malheur im polierten Metall des Spiegels betrachtete. „Ich war es, die ihn verführte. Doch ich glaube nicht, dass es mir gelungen ist, ihn voll und ganz zu überzeugen, dass Drogo mich nicht entehrt hat. Ihre Feindschaft geht zu weit zurück und ist zu tief verwurzelt.“
Sie seufzte und legte den Spiegel zurück auf den
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