Historical Exklusiv Band 36
diesen Jagden in Schäferhütten an der äußersten Grenze ihres Landes übernachtete.
Er wachte nicht nur über sie, sondern beobachtete sie auch, als könne er dabei ihre innersten Gedanken erraten.
Noch immer konnte er ihr nicht voll vertrauen. Sie fand sich damit ab. Doch dann wieder musizierten sie gemeinsam, spielten Schach und unterhielten sich an den Abenden, auch in der Abgeschiedenheit ihres Schlafgemaches. Langsam, aber unmerklich wurden sie Freunde.
Genevras und Megs Schwangerschaften hatten sich bestätigt. Meg litt häufiger unter morgendlicher Übelkeit als Genevra. Für Annys war nun schon die Zeit der Niederkunft gekommen. Die drei Frauen verbrachten einen Großteil ihrer Tage mit dem Nähen von Kinderkleidung, spannen Wolle und webten feine Tücher, um ihre Neugeborenen darin warm halten zu können.
Im September, Genevras Zustand wurde bereits sichtbar, kündigte Robert an, dass er seine Mutter besuchen müsse und auch einige seiner anderen Güter im Süden von Thirkall, bevor der Winter hereinbrach und das Reisen unmöglich machte. Er würde sich auf der Reise nicht aufhalten; er wollte seine Geschäfte so schnell wie möglich erledigen. Er wollte sich indes auch nicht zu sehr eilen.
Er hatte die Absicht, Prince zu reiten. Das bedeutete, dass er unterwegs nicht die Pferde wechseln konnte und daher die Tagesetappen begrenzt waren. Die Rückkehr nach Merlinscrag war für die ersten Tage des Novembers vorgesehen.
„Ich werde Anfang März niederkommen“, erinnerte ihn Genevra. Beide hatten mit großer Sorgfalt die Wochen gezählt. „Wollt Ihr, dass ich unser Kind hier in Merlinscrag zur Welt bringe?“
„Ja.“ Plötzlich war er kurz angebunden. „Habt Ihr etwas dagegen einzuwenden?“
„Nein. Ich hatte darauf gehofft. Dies ist zwar nicht Euer Hauptsitz, doch es ist der meiner Mutter und wird mein Witwensitz sein, falls ich Euch überlebe. Ich freue mich, unser erstes Kind hier zur Welt zu bringen.“
Unser Kind, dachte er. Niemals vergaß sie, darauf hinzuweisen. Geschah es aus Schuldbewusstsein? Oder weil sie wusste, dass er noch immer zweifelte?
Nicht einmal vor sich selber konnte er erklären, warum er wollte, dass sein Erstgeborenes fern von seiner Familie und vom Earl of Northempston geboren werden sollte. Doch in seinen dunkelsten Gedanken hegte er die schreckliche Furcht, dass er das Kind nicht als seines anerkennen könnte. Falls es dazu käme, wollte er so wenig Zeugen wie möglich dafür haben.
Er nickte. „Ich denke, wir beide fühlen uns hier wohl.“
Das war die Wahrheit. Die Luft war rein und belebend, er liebte die Hügel und die friedlich weidenden Schafe. Und er genoss, ja brauchte die Gesellschaft seiner Frau. Er war indes noch nicht fähig, das zuzugeben. Auf harte Art und Weise hatte er gelernt, dass es nicht klug war, sich in seine eigene Frau zu verlieben. Höfische Liebe einer anderen Frau zu schenken war die allgemeine Mode. Doch zu diesen Tändeleien hatte er sich nie hingezogen gefühlt.
„Ich habe die See und das Land hier schätzen gelernt“, sagte er ihr gleichsam als Entschädigung. „Ich werde zurückkommen, so schnell es mir möglich ist.“
Er ließ Alan und eine Burgwache zurück, um wie schon früher seine Gemahlin zu beschützen. Er und sein Gefolge, darunter dieses Mal auch Bernard, verließen Merlinscrag an einem sonnigen Septembertag und ließen Genevra und Meg zurück, die nun einsam wachten und die Geburt ihrer Kinder erwarteten.
Annys kam in der ersten Woche des Oktobers nieder. Als ihre Wehen stärker wurden und öfter kamen, zog sie sich in ihr eigenes Haus zurück. Genevra und Meg begleiteten sie.
Old Mariel wurde aus dem Dorf geholt. Der Geburtsstuhl wurde gebracht, der es den werdenden Müttern ermöglichte, bei der Geburt eine sitzende Haltung einzunehmen. Fasziniert und angstvoll beobachtete Genevra alles, als sie und Meg der alten Mariel halfen. Diese wirkte auf den ersten Blick wie ein mageres Bündel von Haut und Knochen, das in Fetzen gehüllt war. Doch trotz ihres jämmerlichen Aussehens war sie stark und kräftig, und ihre Lumpen waren sauber gewaschen.
Als die Geburtswehen heftiger wurden, schrie Annys vor Schmerz. Der Schweiß rann über ihr Gesicht. Und doch war ihre einzige Besorgnis, als das Kind das Licht der Welt erblickte, den Schrei des Kindes zu hören.
„Noch so ein magerer Junge“, verkündete Mariel in ihrem breiten West-Country-Akzent, als sie seine Nase und seinen Mund abwischte und ihm einen Klaps auf
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