Historical Gold Band 251
Keiner von euch hat auch nur eine Unze Temperament. Du kannst schreiben, was du willst, solange ich mir Richards endloses Gejammer nicht anhören muss.“
„Ich setze Blümchen statt i-Punkte“, erklärte sie unerbittlich, „und male Herzchen um die t-Striche.“
Er starrte sie einen Augenblick lang an, als hätte er nach all der Zeit endlich erkannt, dass hinter ihrer zuckersüßen Freundlichkeit ein rebellischer Geist steckte. „Das“, sagte er und schüttelte den Kopf, „ist der achtunddreißigste Grund, warum Töchter nichts taugen.“
Es würde ein langer Abend werden. Und der nächste Tag ein langer Geburtstag.
Margaret war nicht klar gewesen, wie lang der Abend tatsächlich werden würde, als sie endlich völlig erschöpft ins Bett fiel. Unruhig schlief sie ein paar Stunden. Doch dann schlug unten die Uhr, aus der Ferne nur undeutlich zu hören. Margaret wachte auf und zählte mit: neun, zehn, elf, zwölf . Es schlug Mitternacht; der neue Tag begann ohne großes Aufhebens, genau, wie es sich gehörte. Nur ein Tag, der in einen anderen Tag überging. Nichts – und niemand – würde diesen Tag zu etwas Besonderem machen.
Es war der 22. August und der erste Geburtstag, den Margaret ohne ihre Mutter verbringen würde. Sie atmete die schwere Sommerluft ein. Es war noch dieselbe Luft wie am Tag zuvor. Nichts hatte sich geändert an ihrem endlosen, undankbaren Dienst. Auch in Zukunft würde sich nichts ändern.
Ihre Mutter hatte nicht zu übertriebenen Zeremonien geneigt. Doch an jedem Geburtstag, an den Margaret sich erinnern konnte, hatte die Duchess ein paar Stunden mit ihrer Tochter verbracht. Als sie vier wurde, hatten sie gemeinsam einen Rosenstock gepflanzt. Ihre Mutter hatte ihr speziell für diese Gelegenheit dicke Handschuhe geschenkt und sie unter der gestrengen Oberaufsicht des Gärtners die Erde festdrücken lassen. Danach hatten sie jedes Jahr etwas im Garten gepflanzt – im einen Jahr war es eine schlanke Buche, im nächsten eine Unzahl an Tulpenzwiebeln. Aber meist pflanzten sie Rosen. Jedes Jahr eine andere Sorte, trotz der oft harten Winter. Ihre Mutter hatte immer dafür gesorgt, dass ihre Pflanzungen überlebten – selbst wenn sie sie dazu im Herbst in den Wintergarten hatte stellen müssen.
Plötzlich war es für Margaret unerträglich, in der Dunkelheit im zweiten Stock gefangen zu sein, in einem Dienstbotenzimmer, in dem sie nicht einmal die spätsommerlichen Rosen riechen konnte. Jetzt, wo die Uhr verstummt war, wirkte das ganze Haus still und leer. Als ihre Mutter noch hier wohnte, hatte Parford Manor nie derart leblos gewirkt. Aber an diesem Abend war die Luft stickig und erdrückend, und das Haus schien ganz ohne jede anregende Gesellschaft. In ein paar Jahren würde sich niemand mehr an die alte Herzogin erinnern. Margaret war die Einzige, die nicht vergessen konnte.
Sie erhob sich in der Dunkelheit und tastete nach einem Morgenmantel, den sie über ihr Nachthemd ziehen konnte. Nachdem sie ihn in der Taille festgebunden hatte, schlüpfte sie aus dem Zimmer.
Sie schlich sich die enge, düstere Treppe hinunter, die von den Dienstbotenquartieren in die Hauptkorridore führte. Danach wies ihr der Mond den Weg, dessen Licht die dunklen Wände versilberte. In der samtenen Dunkelheit konnte sie so tun, als wäre es immer noch das Haus ihrer Mutter. Sie konnte so erhaben durch die Flure stolzieren, als wäre sie weiterhin die allseits anerkannte Tochter des Hauses. Sie lenkte ihre Schritte zur Haupttreppe und schritt sie mit grüßend ausgebreiteten Armen hinunter. In jeder Ecke dieses Hauses steckten Erinnerungen an ihre Mutter – das schwungvolle Treppengeländer wurde mit einer Möbelpolitur gepflegt, dessen Rezept ihre Mutter von der Haushälterin ihrer Familie mitbekommen hatte, die Gemälde an den Wänden hatte die Mutter sorgfältig aus dem Lager auf dem Dachboden ausgewählt.
Ihre Mutter hatte vor acht Jahren die Tapeten für die große Eingangshalle erworben, genauso wie sämtliche Möbel, die in den Zimmern zu beiden Seiten des Korridors standen. Und als Margaret im Erdgeschoss ankam, konnte sie auch den schweren Sommerduft der blühenden Rosen riechen. Der Geruch führte sie zurück in ihre Kindheit, in die Jahre, als ihre Mutter gesundheitlich noch in der Lage gewesen war, die Rosen selbst zu stutzen.
Der Duft lockte sie nicht nach draußen, sondern in den Wintergarten im Südflügel. Die Tür knarrte beim Öffnen ein wenig; das Holz hatte sich in der Hitze
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