Historical Lords & Ladies Band 38
Tage später die Fensterbretter der Bibliothek mit ihren Muscheln dekorierte. Leider hatte Nick sie seither nicht mehr so geküsst. Lediglich Gutenmorgenküsse beim Frühstück, Gutenachtküsse bevor sie zu Bett ging, und zwischendurch hie und da ein flüchtiger Kuss.
Sie fürchtete, nach diesen besonderen Küssen süchtig zu werden. Sie wollte mehr, doch Nick ließ sie darben. Immer wieder hatte sie schüchterne Annäherungsversuche unternommen. Ohne Erfolg. Er schien ihre zaghaften Ermutigungen nicht einmal bemerkt zu haben.
Sarah trat zurück und betrachtete ihr Werk.
Irgendetwas war mit ihr geschehen. Sie hatte sich verändert. Es hatte schon vor Wochen begonnen, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Sie hatte ihm trotz ihrer Angst geglaubt, dass er ihr nichts antun würde.
Lag darin der Unterschied? War die Beziehung zwischen Mann und Frau nur eine Frage des Vertrauens? Sie dachte an die anscheinend glücklich verheirateten Frauen in ihrem Bekanntenkreis.
Aber was war mit Amy? War das Vertrauen ihrer Schwester missbraucht worden? Oder war Amys Flirt lediglich die Tat eines törichten, eigensinnigen Mädchens gewesen, die sie das Leben gekostet hatte?
„Du siehst ernst aus, Liebling. Warum so nachdenklich?“ Sarahs Herzschlag beschleunigte sich beim Klang der wohlbekannten tiefen Stimme. Nick schloss die Tür hinter sich und kam zu ihr herüber. „Wie ich sehe, hast du noch Platz für deine Muscheln gefunden. Wie gut, dass wir jede Menge Fenstersimse haben. Ich fürchtete schon, einige zerbrechen zu müssen – natürlich unabsichtlich.“
Sarah musste lachen. Ihre Heiterkeit verflog, als Nick flüchtig ihre Nasenspitze küsste. Sie verspürte das drängende Bedürfnis zu erfahren, warum ein Mann in den besten Jahren sich mit einer Vernunftehe zufriedengab, doch dann war sie nicht mehr sicher, ob sie die Antwort hören wollte.
„Das wird nicht nötig sein.“ In ihrer Verlegenheit flüchtete sie sich in einen betont munteren Tonfall. „Also wirklich, Nick, ich wusste gar nicht, dass Männer so gewalttätige Anwandlungen haben …“ Sie verstummte abrupt, als ihr bewusst wurde, was sie sagte.
Er musterte sie eindringlich. „Ich dachte, du wärst der Meinung, Männer seien stets gewalttätig.“
Sarah errötete. Sie spürte seinen lauernden Blick, der sie immer an eine jagende Wildkatze erinnerte. „Jetzt weiß ich es besser“, flüsterte sie. Ehe er etwas darauf erwidern konnte, wechselte sie rasch das Thema. „Wie ich sehe, bringst du die Post. Ist eine Nachricht von Julia oder Lydia Beresford dabei? Sie wollte mir gleich nach ihrem Umzug nach Devenham Court schreiben.“
Nick antwortete nicht. Er betrachtete versunken die zarte Röte auf Sarahs Wangen und Dekolleté und fragte sich, ob der rosige Hauch bis zu ihren Brüsten reichte. Bilder, wie sein Mund den gleichen Weg nahm, quälten ihn und ließen ihn beinahe laut aufstöhnen.
Die letzten Tage waren für ihn die reinste Folter gewesen. Er hatte sich zwingen müssen, nicht auf Sarahs schüchterne Annäherungsversuche zu reagieren. Erst wollte er ihr volles Vertrauen gewinnen. Dabei hatte er allerdings nicht bedacht, dass er seine Selbstbeherrschung verlieren könnte, sobald sie ihn berührte oder auch nur in seine Nähe kam. Und er war sich nicht sicher, ob er sie, wenn er jetzt zärtlich würde, freigeben könnte, falls sie ihn darum bat.
Dann sah er ihr in die klaren, bernsteinfarbenen Augen und wusste, dass er es konnte.
„Nein, aus Devenham Court ist nichts dabei.“ Widerstrebend konzentrierte er sich auf die Umschläge in seiner Hand. „Nur ein Brief aus London, Korrespondenz von meinem Verwalter in Ravensdene Hall und eine Nachricht der Sheringtons, die uns an den Ball Ende der Woche erinnern.“
„Der Ball bei den Sheringtons?“, wiederholte sie bestürzt. „Nick, ich muss dir sagen, dass …“
Ihr stockte der Atem, als Nick ihr die stark parfümierte Einladungskarte entgegenhielt. „Hier. Riecht nach Jasmin.“
„Sophies Lieblingsduft“, brachte Sarah schwach hervor. „Nick, wegen des Balls …“
„Wir müssen nicht daran teilnehmen. Miss Sherington hat die Erinnerung gewiss nur aus Höflichkeit geschickt.“
„Aber du möchtest gehen“, sagte sie leise. Sie hatte sein Stirnrunzeln bemerkt und wusste, dass er nur seines Auftrags wegen zu dem Ball wollte. Dennoch war sie verärgert.
„Sherington Chase ist der letzte große Landsitz, den ich besuchen muss. Zwar ist Lord Sherington nicht unbedingt
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