Historical Lords & Ladies Band 39
unterhaltsam wie im Zirkus war der Empfang nicht“, gestand Antonia lächelnd und schilderte Philip ihre Eindrücke. „Miss Dallings’ Lage scheint ernst zu sein“, fügte sie zum Schluss hinzu. „Allerdings kann ich nicht beurteilen, ob Lady Ticehursts Nichte, die zweifellos einen Hang zum Dramatischen hat, nicht stark übertrieb. Gleichviel, ich bin überzeugt, dass sie sich gegen die Absichten ihrer Tante zur Wehr setzen wird.“
Mit regloser Miene hatte Philip zugehört. Er stand auf und sagte übergangslos: „Komm! Du solltest jetzt schlafen gehen.“
Sie konnte sich sein eigenartiges Verhalten nicht erklären und schaute ihn verblüfft an. Er half ihr beim Aufstehen, und plötzlich entdeckte sie in seinen Augen einen beunruhigten Ausdruck. Ihr stockte der Atem, doch diesmal wollte sie nicht fluchtartig das Weite suchen, sich hastig in die Geborgenheit ihres Zimmers zurückziehen müssen. „Gute Nacht, Philip“, sagte sie ruhig.
Steif verneigte er sich, ließ sie jedoch nicht los. Den Blick unverwandt auf sie gerichtet, zog er sie an sich, legte ihr die Hände um das Gesicht und küsste sie, sicher in der Gewissheit, dass sie seine Liebkosungen genießen würde.
Willig ging sie auf seine Zärtlichkeiten ein, legte ihm die Hände auf die Schultern und schwelgte in den Wonnen, die er ihr schenkte.
Nach geraumer Zeit straffte er sich widerstrebend, trat einen Schritt zurück und sagte rau: „Gute Nacht, Antonia. Träume süß.“
„Gute Nacht“, erwiderte sie lächelnd, wandte sich ab und verließ die Bibliothek.
8. KAPITEL
N ach dem mit Freunden eingenommen Frühstück kehrte Philip mittags nach Haus zurück. Gelassen betrat er das Entree und ließ sich von Carring aus dem Mantel helfen. „Wo ist Miss Mannering?“, erkundigte er sich beiläufig.
„Im Ballsaal, Mylord“, antwortete Eugen. „Sie wird von Monsieur Gaverivière im Tanzen unterwiesen.“
„Danke“, erwiderte Philip, ging in die Bel Etage und begab sich zum Ballsaal. Musik drang durch die Türen. Er machte einen Flügel auf, betrat den Raum und schloss geräuschlos die Tür. Die Portièren waren geöffnet; Sonnenlicht flutete durch die Fenster. Am gegenüberliegende Ende des Saales saß Geoffrey am Pianoforte und blickte angestrengt auf die Noten. In der Mitte des Raums tanzte Antonia, sichtlich steif und unbehaglich, mit dem Tanzlehrer, den Philip sogleich als alternden Lebemann einschätzte.
Monsieur Gaverivière wirkte keinesfalls wie ein Franzose. Er war kleinwüchsig, korpulent und hatte den typisch bleichen Teint eines Engländers. Er war überaus modisch, fast ein wenig geckenhaft gekleidet.
Verärgert über den lüsternen Blick, mit dem er Antonia betrachtete, räusperte Philip sich laut und vernehmlich. Sogleich unterbrach Geoffrey das Spiel.
Erstaunt schaute Antonia zu Philip herüber, und er bemerkte, dass sie über die Störung erleichtert war. „Ich befürchte, hier liegt ein Missverständnis vor“, sagte er schroff.
Irritiert ließ der Tanzmeister Miss Mannerings Hand los und wiederholte verständnislos: „Ein Missverständnis, Mylord? Oh, nein! Ich versichere Ihnen, ich wurde engagiert, um der jungen Dame das Tanzen beizubringen.“
Abweisend schaute Philip Monsieur Gaverivière an und entgegnete barsch: „Selbst wenn dem so ist, muss ich Ihnen mitteilen, dass Ihre Dienste nicht mehr vonnöten sind.“ Er öffnete die Tür einen Spalt und rief in den Korridor: „Carring!“ Ungeduldig wartete er, bis er den Butler kommen hörte.
Eugen betrat den Saal und fragte: „Sie wünschen, Mylord?“
„Monsieur Gaverivière möchte gehen.“
„Nein!“, widersprach Jean heftig. „Wirklich, ich bestehe darauf …“
Philip beachtete ihn nicht, ging zu Antonia, nahm sie beim Arm und schlenderte mit ihr zum Pianoforte.
„Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Sir!“, forderte Eugen den Tanzlehrer auf.
Empört gab dieser nach und verließ den Ballsaal.
„Warum haben Sie ihn fortgeschickt?“, wunderte sich Antonia.
„Er eignete sich nicht als Ihr Tanzlehrer.“
„Das habe auch ich gesagt“, warf Geoffrey ein.
Antonia beachtete ihn nicht, sah entrüstet Philip an und sagte ärgerlich: „Und wie soll ich jetzt Walzer tanzen lernen? Falls es Ihnen entgangen sein sollte, Sir, müssen Damen ihn beherrschen. Das erwartet man im ton …“, sie hielt inne, sah flüchtig den Bruder an und fuhr dann fort: „… von mir.“
Philip nickte. „Sie haben recht, Miss Antonia. Da ich Monsieur Gaverivière
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