Historical Lords & Ladies Band 39
Übermut. „Ich wüsste da einen Ort!“
„Nämlich?“
„Ein Wirtshaus, es heißt ‚Traube und Ring‘ und befindet sich in der Drury Lane.“
„Aber das ist doch ein Treffpunkt für Halunken!“
„Ja. Und deshalb wird niemand uns dort beachten.“ Sie warf ihm einen herausfordernden Blick zu.
Zu ihrem Erstaunen begann er herzhaft zu lachen. „Also gut!“ Mit dem Stock schlug er gegen die Wand der Droschke, um die Aufmerksamkeit des Kutschers zu wecken. „Zur Drury Lane!“, rief er.
Der Schankraum der Wirtschaft war trotz der frühen Stunde gut gefüllt. Doch Jemima entdeckte einen kleinen freien Tisch in einer Ecke und steuerte darauf zu. Robert folgte ihr, wobei er sich bemühte, sich möglichst unauffällig umzuschauen. Es war offensichtlich, dass er und seine hübsche Begleiterin eine Menge Aufsehen erregten. Aber es war ebenso offensichtlich, dass hier niemand war, der bei einer vornehmen Dinnergesellschaft oder in einem Ballraum erwähnen würde, wen er gesehen hatte.
„Kommen Sie oft hierher, Miss Jewell?“, fragte Selborne.
Sie antwortete nicht sofort, weil zwei der Schankmägde zu ihrem Tisch eilten, um sie nach ihren Wünschen zu fragen. Dass man in dieser Kaschemme überhaupt bedient wurde, war so ungewöhnlich, dass Jemima kaum fassen konnte, was gerade geschah.
„Einen großen Krug Ale und zwei Gläser“, verlangte Robert und reichte dem schnelleren der Mädchen eine Münze.
„Sofort, Mylord. Und wenn Sie sonst noch Wünsche haben …“ Sie beugte sich so weit nach vorn, dass ihre Brüste fast aus dem Mieder sprangen.
„Dann wende ich mich selbstverständlich an dich, meine Süße“, meinte Robert lächelnd. „Oder“, er schenkte auch der anderen jungen Frau ein Lächeln, „an deine hübsche Freundin.“
Kichernd entfernten sich die beiden.
Jemima runzelte die Stirn.
„Tut es Ihnen schon leid, dass Sie mich hergebracht haben?“, wandte Selborne sich an sie.
Es war dumm gewesen, sich auf diese Art mit ihrer Furchtlosigkeit vor ihm zu brüsten.
„Hatten Sie vor, mir ein bisschen Angst einzujagen?“ Robert schaute amüsiert drein.
„Ich glaube kaum, dass mir das gelingen würde.“
„Wie wahr … Im Krieg habe ich mich an weitaus gefährlicheren Orten aufgehalten. Nun, ich hoffe, sie haben hier ein gutes Ale.“
„Oh ja. Und ein interessantes Publikum. Kennen Sie Ned Macaine? Er ist Straßenräuber im Gebiet nördlich der Stadt.“
„Ach? Sprechen Sie von dem gut aussehenden Burschen dort drüben? Mir scheint, dass er Sie beobachtet.“
„Mein Bruder hat uns vor einiger Zeit miteinander bekannt gemacht. Jack ist öfter hier, müssen Sie wissen. Er ist mit einigen der Anwesenden befreundet. Deshalb können wir uns hier so sicher fühlen wie in Abrahams Schoß.“
„Ihr Vater wird also nicht plötzlich hier auftauchen?“
„Bestimmt nicht! Er verbringt seine Zeit nicht mit Straßenräubern und Taschendieben. Er fühlt sich diesen Leuten weit überlegen und trinkt lieber mit gut situierten Handwerkern.“ Jemima nahm einen tiefen Schluck aus dem Glas mit Ale, das inzwischen vor ihr stand. „Und nun sollten Sie mir sagen, worüber Sie mit mir sprechen wollten.“
„Es geht um die Hochzeit. Sie findet in drei Tagen statt, und zwar in der Erlöserkirche. Die Trauung beginnt um zehn Uhr vormittags.“
„In der Erlöserkirche in Borough?“
„Ja. Der Pastor dort wird keine unnötigen Fragen stellen, niemand in dem Stadtviertel kennt uns, und ganz bestimmt würde niemand vermuten, dass ich dort den Ehebund schließe. Mir ist klar, dass Sie sich eine andere Umgebung wünschen. Aber ich hoffe auf Ihr Verständnis. Für uns beide ist Diskretion von größter Bedeutung, nicht wahr?“
„Sie haben sicher eine kluge Entscheidung getroffen.“
„Wird Ihr Bruder Sie als Brautführer begleiten?“
„Ja, und ich bin sehr froh darüber, obwohl ich weiß, dass Sie Jack nicht mögen.“
„Ich fürchte, diese Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Ich lasse mich übrigens von meinem Cousin Ferdie Selborne begleiten. Ich habe ihn in alles eingeweiht und ihn schwören lassen, dass er niemandem etwas verrät.“
Jemima leerte ihr Glas. „Gut. Dann wäre wohl alles geklärt.“
„Haben Sie noch etwas Zeit? Dann würde ich gern noch ein bisschen bleiben. Es ist sehr … amüsant hier.“
Tatsächlich machte er, wie sie feststellte, einen völlig entspannten Eindruck. Mit seinen breiten Schultern, der hervorragend geschnittenen Kleidung, dem männlichen Gesicht
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