Historical Lords & Ladies Band 39
er diese bezaubernde junge Frau so skrupellos für seine eigenen Zwecke benutzte. Gleichzeitig empfand er ein unerwartetes Bedauern darüber, dass sie geplant hatten, die Ehe so bald wie möglich annullieren zu lassen. War es nicht eine Sünde, ein Eheversprechen zu geben, das man nicht einzuhalten gedachte?
Seine Eltern – daran erinnerte er sich noch genau – waren durchaus kein ideales Paar gewesen. Sie hatten häufig miteinander gestritten. Aber immer, wenn es darauf ankam, hatten sie zusammengehalten. In guten wie in schlechten Zeiten hatten sie zusammengestanden – so, wie sie es sich vor dem Altar versprochen hatten.
„Sie dürfen die Braut jetzt küssen“, sagte der Pastor.
Jemima schaute zu Robert auf, er beugte sich herab, und ihre Lippen berührten sich. Einen Moment lang schien alles so, wie es sein sollte. Dann trat die Braut einen Schritt zurück.
Stille senkte sich herab, bis man die eiligen Schritte des Geistlichen hörte, der zu einem anderen Termin – oder vielleicht auch nur ins nächste Wirtshaus – wollte.
„Lady Selborne!“ Robert verbeugte sich vor seiner frisch angetrauten Gattin und reichte ihr den Arm, um sie auf die Straße hinauszuführen. Ihre Augen weiteten sich bei der ungewohnten Anrede. Sie schaute sehr ernst drein. Dann huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. „Ich habe Ihren Trauzeugen noch gar nicht begrüßt, Mylord.“
„Robert“, verbesserte er sie. „Meine Liebe, als Eheleute dürfen wir uns beim Vornamen nennen und uns sogar duzen.“
Sie errötete und schien irgendwie erleichtert, als Ferdie zu ihr trat, um ihr in aller Form zu gratulieren und ihr für die Zukunft das Beste zu wünschen.
Auch Jack kam herbei. „Guten Tag, Jewell.“ Robert hielt seinem Schwager die Hand hin. Und nach kurzem Zögern ergriff Jack sie tatsächlich. „Guten Tag, Selborne.“
Jemima schaute unsicher von einem zum andern. Sie hatte nicht vergessen, dass die beiden Männer einander nicht mochten, und hoffte sehr, dass keiner von ihnen sich unhöflich zeigen würde.
Es war Ferdie, der sie von ihren Sorgen ablenkte. „Wenn Sie irgendetwas benötigen, solange mein Cousin nicht in der Stadt ist, wenden Sie sich ruhig an mich“, bot er ihr an. „Ich bin gern bereit, Ihnen auf jede erdenkliche Art zur Seite zu stehen.“
Jack warf Ferdie einen misstrauischen Blick zu. Und Robert beeilte sich zu sagen: „Das wird nicht nötig sein. Churchward hat den Auftrag, sich um alles zu kümmern. Und im Übrigen wird Mr Jewell seine Schwester bestimmt gern unterstützen.“
„Selbstverständlich!“, versicherte Jack mit einem drohenden Blick in Ferdies Richtung.
Robert musste ein Schmunzeln unterdrücken. „Wenn Sie uns einen Moment lang entschuldigen wollen, Gentlemen?“ Er zog seine Braut in eine der schmucklosen Seitenkapellen. Dort holte er ein Kuvert aus der Rocktasche und reichte es Jemima. „Ich habe hier ein paar Dinge notiert, die mir wichtig erschienen. Wenn es trotzdem noch Unklarheiten geben sollte, wenden Sie sich bitte an meinen Anwalt. Er ist ein Mensch, auf den man sich in jeder Situation verlassen kann.“ Das vertrauliche Du wollte ihm nicht so recht über die Lippen kommen. Und da er seine Gattin in Zukunft ja kaum sehen würde, war es vielleicht sogar besser, beim Sie zu bleiben.
„Danke.“
„Churchward wird Sie auch zu dem Haus in Twickenham bringen.“
Sie nickte, biss sich aber gleichzeitig auf die Unterlippe, als fühle sie sich nicht recht wohl in ihrer Haut.
„Bitten Sie niemals meinen Cousin um Hilfe“, fuhr Selborne leise fort. „Er gilt als Frauenheld, und es ist nicht ungefährlich, seine Gesellschaft zu suchen.“
Ihre Augen blitzten belustigt auf. „Sie machen sich unnötige Sorgen um mich. Ich bin weder so unerfahren noch so wehrlos, wie Sie zu glauben scheinen.“
Einen Moment lang hatte Robert tatsächlich vergessen, dass sie schon so manche Gefahr gemeistert hatte, da sie nie das behütete Leben einer jungen Dame hatte führen können. War es nur der typisch männliche Beschützerinstinkt, der ihn dazu brachte, sich so besorgt zu zeigen? Er schenkte ihr ein warmes Lächeln. „Bitte missverstehen Sie mich nicht. Ich mag Ferdie. Aber ich würde ihn nicht einmal mit meiner Schwester allein lassen.“
„Ach, ich wusste gar nicht, dass Sie eine Schwester haben!“
„Ja, Camilla. Wir sehen uns nicht besonders oft, da sie mit einem Kapitän verheiratet ist und mit ihm in Indien lebt. Wie ich Ihnen bereits sagte, habe ich nur
Weitere Kostenlose Bücher