Historical Lords & Ladies Band 39
zurückkehrt.“
Tatsächlich tauchte Ferdie am nächsten Vormittag auf Delaval auf, um Abschied von Jemima und Robert zu nehmen.
„Wollen Sie uns heute schon verlassen?“, fragte Jemima. „Ich hoffe, dass Sie wenigstens noch genug Zeit haben, um mit uns zu Mittag zu speisen.“
„Ja, bitte, Ferdie, leiste uns doch beim Essen Gesellschaft“, drängte auch Robert, der gerade nach Hause zurückgekehrt war und dem man deutlich ansah, dass er seinen Pächtern bei der Feldarbeit geholfen hatte. „Ich will mich schnell frisch machen“, meinte er. „Wir treffen uns dann bei Tisch.“
„Nein, warte!“, entfuhr es Ferdie. Er sah mit einem Mal sehr unbehaglich drein. „Bitte, Robert, ich muss dir etwas erzählen. Und ich weiß nicht, wie lange ich noch die Kraft dazu aufbringe.“
Jemima wollte sich taktvoll zurückziehen, doch Ferdie bat sie zu bleiben.
„Gut. Setzen wir uns“, schlug sie vor.
„Also“, begann Ferdie, der auf dem äußersten Rand des Stuhls Platz genommen hatte und unruhig von einem zum andern schaute, „was ich zu sagen habe, hat mit Naylor zu tun. Und mit dem alten Lord Selborne – Großvater, meine ich – und mit mir selber.“
Jemima und Robert tauschten einen Blick.
„Der Jagdunfall … Ich wollte schon seit Langem mein Gewissen erleichtern, aber ich habe nie den Mut dazu aufgebracht. Ich war es, der stolperte und aus dessen Gewehr sich der tödliche Schuss löste. Gott möge mir verzeihen, ich habe meinen eigenen Großvater umgebracht.“ Er schlug die Hände vors Gesicht, und Schweigen senkte sich über den Raum.
„Ich erinnere mich“, meinte Robert schließlich, „dass Papa einmal erwähnte, wie ungewöhnlich der Schusswinkel gewesen sei.“
„Ich hätte natürlich alles gleich zugeben sollen“, murmelte Ferdie. „Aber ich stand wohl unter Schock. Jedenfalls konnte ich nicht einmal einschreiten, als Naylor behauptete, der alte Herr habe sich aus Versehen selber getötet.“
„Hat er dich erpresst?“, fragte Robert.
„Ja. Himmel, du scheinst nicht sehr überrascht zu sein!“
„Wir haben das Tagebuch gefunden“, mischte Jemima sich ein.
„Das Tagebuch? Mein Gott, wo war es? Naylor hat behauptet, es befände sich in seinem Besitz, und er würde es als Beweis vorlegen, wenn ich nicht …“ Ferdie fing plötzlich an zu weinen wie ein Kind.
Robert stand auf und ging zu ihm. Er legte seinem Cousin beruhigend die Hand auf die Schulter.
Auch Jemima erhob sich und trat zu den beiden. „Ich habe es im Kamin gefunden, dort war es versteckt“, erklärte sie Ferdie leise. „Aber Naylor hätte es kaum gegen Sie verwenden können, schließlich war das Ganze ein Unfall. Und er selber war es, der die Lügengeschichte erfunden hat.“
„Du hast Naylor nicht erschlagen, um ihn zum Schweigen zu bringen?“, vergewisserte Robert sich.
„Natürlich nicht!“
In seiner Entrüstung wirkte Ferdie beinahe so selbstbewusst, wie Jemima ihn früher gekannt hatte. Sie schenkte ihm ein warmes Lächeln und erklärte: „Meiner Meinung nach sollten wir diese alten Aufzeichnungen verbrennen.“
„Eine gute Idee“, stimmte Robert zu.
Ferdie brachte vor Rührung kein Wort über die Lippen, aber er griff nach Jemimas Hand und drückte sie voller Dankbarkeit.
Mr Churchward traf am fünften November in Delaval ein. Er hatte eine lange und beschwerliche Reise hinter sich, denn anhaltende Regenfälle hatten die Straßen in Schlammlöcher verwandelt. Kein Wunder also, dass seine Laune nicht die beste war.
Als die Kutsche sich dem Herrensitz näherte, stellte der alte Herr überrascht fest, dass auf einer Wiese in der Nähe des Hauses ein großes Feuer brannte. Der Herbstwind ließ die Flammen hoch auflodern, und ab und zu stoben wahre Funkenregen durch die Luft. Einen Moment lang fragte der Anwalt sich, ob Lord Selborne womöglich über all der Arbeit den Verstand verloren hatte und sein Mobiliar verbrannte. Doch dann wurde ihm klar, wie absurd diese Idee war. Robert Selborne war ein durch und durch vernünftiger Mann, und seine Gattin hatte, trotz ihrer zweifelhaften Herkunft, auch einen klugen und besonnenen Eindruck gemacht.
Es musste eine andere Erklärung für das Feuer geben. Und dann fiel es ihm ein: Richtig, es war Guy-Fawkes-Nacht. In Erinnerung an die sogenannte Pulververschwörung, bei der Guy Fawkes und seine Komplizen vergeblich versucht hatten, König Jakob I und das gesamte Parlament in die Luft zu sprengen, wurden überall im Lande solche Freudenfeuer
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