Historical Lords & Ladies Band 40
Duncan.
„Er bleibt einstweilen hier. Ich hole ihn auf dem Rückweg wieder ab.“
„In Ihrem Zustand können Sie die Pferde nicht lenken. Wenn Sie wollen, bringe ich uns nach Leicester.“
„Ihr Angebot kommt mir wie gerufen, Captain. Aber ich sitze nicht wieder drinnen, und Sie sollten meinen Reservemantel anziehen. Es wird kalt oben auf dem Bock.“ Er holte unter dem Sitz einen schweren Mantel hervor und reichte ihn Duncan. „Darin sehen Sie wie ein echter Kutscher aus.“
Zehn Minuten später hatten alle ihre Plätze eingenommen. Tom ergriff das Horn des Kutschenbegleiters und blies ein paar Töne in die Nacht. Duncan, der sich in den weiten Mantel gehüllt hatte, trieb die Pferde an, die sich langsam in Bewegung setzten.
Er dachte über Miss Helen Sadler nach. Ihr Verhalten den Leuten gegenüber, die sie unterwegs getroffen hatte, und kleine Bemerkungen, die während eines Gespräches gefallen waren, hatten einigen Aufschluss über ihren Charakter gegeben. Sie war eine Frau mit Verstand, Gefühl, Kultur und Bildung, hatte jedoch weder darüber, wie sie sich das angeeignet hatte, noch über ihre Familie und Herkunft auch nur ein einziges Wort geäußert.
Duncan war überzeugt, dass das Absicht war, ohne sich den Grund dafür erklären zu können. Was verbarg sie: Schande oder einen Skandal? Eine derartige Situation war ihm nicht fremd. Vor vielen Jahren, als er noch unerfahren und vertrauensselig gewesen war, hatte er gelernt, dass man sich auf die Ehrlichkeit schöner junger Damen nicht verlassen konnte.
Seit damals hatte er seinem Vater und seinem Bruder zwei- oder dreimal einen kurzen Besuch abgestattet, eine Begegnung mit seinem einstigen Freund James, inzwischen Lord Macgowan, und dessen Frau Arabella sorgfältig vermieden. Ein Zusammentreffen wäre für alle Beteiligten peinlich und schmerzhaft gewesen. Doch nun war sein Vater erkrankt und hatte Andrew zufolge nach ihm gefragt. Duncan hatte Urlaub erhalten und sich auf den Heimweg gemacht, ohne zu ahnen, wie lange dieser dauern würde.
Der Ritt von Wien nach Calais war schon schlimm genug gewesen. Dann hatte sich die Überfahrt von Frankreich verzögert, weil das Postschiff in einen heftigen Sturm geraten war, bei dem selbst die hartgesottensten Matrosen seekrank in ihren Kojen gelegen hatten. Sein Pferd, das ihm viele Jahre treu gedient hatte, hatte sich vor Angst losgerissen und so schwer verletzt, dass er es erschießen musste. In Dover hatte er die Postkutsche nach London genommen und dort die Anschlussverbindung verpasst, sodass er gezwungenermaßen die öffentliche Kutsche benutzen musste. Seitdem war einiges geschehen.
Wenn er nicht in Northampton übernachtet hätte, wäre er jetzt mindestens zwölf Stunden weiter gewesen. Andererseits hätte er dann das erfreuliche Dinner mit Miss Sadler nicht erlebt und sie anschließend nicht ins Bett getragen. Und das war etwas, das er keinen Augenblick bedauerte. Zum ersten Male seit Jahren hatte er seine Antipathie, das weibliche Geschlecht betreffend, vergessen und sich in Gesellschaft einer intelligenten, humorvollen und natürlichen jungen Frau wohlgefühlt.
Sie zeigte ihm gegenüber nicht die geringste Scheu, doch warum sollte sie auch. Schließlich kannte sie nur seinen Namen, und er hatte nicht die Absicht, ihr seine Herkunft zu verraten und so die Beziehung zu zerstören, die sie aufgebaut hatten – ein Soldat und eine junge Frau, die sich zufällig begegnet waren und ein oder zwei Tage lang gut verstanden.
Doch angenommen, sie wusste, wer er war, und spielte nur mit ihm? Schon manche Frau hatte einen Mann mit ihrer Hilflosigkeit umgarnt, der dann zu seinem Schaden feststellen musste, dass sie keineswegs hilflos war. Er überlegte, ob Miss Sadler wohl einer solchen Unehrlichkeit fähig war.
Zum ersten Male seit Arabellas Treuebruch war er sich seines Urteils nicht sicher. Alles sprach dafür, dass es besser war, sich nicht zu tief mit Helen einzulassen. Andererseits war seine Neugier geweckt. Er wollte alles wissen, was es über Miss Sadler zu wissen gab.
Sie stellte den absoluten Gegensatz zu Arabella dar. Arabella war blond und blauäugig mit einer wohlgerundeten Figur. Sie hatte sich elegant gekleidet und geplaudert, wie ihre Mutter es sie gelehrt hatte. Es war nicht ihr Fehler gewesen, dass sie dem Druck ihrer Eltern nicht standgehalten hatte. Trotzdem hätte sie ihn informieren müssen und nicht warten dürfen, bis er nach Hause gekommen war und die Wahrheit selbst herausgefunden
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