Historical Lords & Ladies Band 40
sie so irritiert hatten. Sie musste sich die Flöhe in der alten Taverne oder von einem der Mitreisenden geholt haben. Das war eines der Risiken, das man in einer öffentlichen Kutsche einging. Ein anderes war, dass man gut aussehende und freundliche Männer traf, die gleichzeitig absolut skrupellos waren. Da sie einen solchen Mann nie zuvor kennengelernt hatte, wusste sie nicht, wie sie mit ihm umgehen sollte. Jeder Zurückweisung begegnete er mit einem Lächeln. Ihre Bemühungen, ihm zu zeigen, dass seine Aufmerksamkeiten unerwünscht waren, ignorierte er.
Alles wäre nicht so schlimm gewesen, wenn sie ihn nicht angelogen hätte. Für ihn war sie Miss Sadler, die Gesellschafterin einer Dame, und das musste sie bleiben. Wenn sie ihm jetzt die Wahrheit eingestand, würde ihr das nur Hohn und Spott einbringen.
Helen kletterte aus dem Bad und trocknete sich ab. Sie war gerade in ihr Nachthemd geschlüpft, als ein zweites Hausmädchen ihr ein Tablett mit ihrer Mahlzeit brachte. Die Bedienstete nahm die Münze, die Helen ihr reichte, und zerrte den Badezuber auf den Korridor hinaus, wo sie laut rief, jemand möge kommen und ihr helfen.
Helen nahm an, dass sie auf Wunsch des Captain das beste Zimmer des Hauses bekommen hatte. Dabei hätte sie es vorgezogen, wenn er nicht so fürsorglich gewesen wäre, weil das beste Zimmer natürlich das teuerste war. Sie saß auf der Bettkante und stülpte ihr Retikül um. Münzen und Papiergeld reichten gerade noch für die Übernachtung und eine Mahlzeit am nächsten Tag.
Helen hatte gedacht, das mitgenommene Geld würde für die Reisekosten genügen. Ihre Einkünfte für den nächsten Monat wurde auf die Bank in Killearn überwiesen, und das lag noch viele Meilen entfernt. Nie zuvor war sie genötigt gewesen, so sorgsam ihr Geld zu zählen, das mit unglaublicher Schnelligkeit verschwand.
Ihre Großzügigkeit dem Straßenjungen gegenüber, die ständigen Übernachtungen, Fahrkarten sowie die Trinkgelder für Zimmermädchen, Kofferträger, Kutscher und Kutschenbegleiter hatten fast ihre gesamten Mittel aufgezehrt.
Der Captain hatte bei verschiedenen Gelegenheiten versucht, für sie zu bezahlen, was sie natürlich abgelehnt hatte. Mr Benstead hatte ihrem Vormund geschrieben, er möge sie abholen lassen, und Helen hoffte, dass das schnell geschehen würde, weil sie sonst ohne einen Penny dastünde.
Am nächsten Morgen ging sie früh nach unten, um ein ausgiebiges Frühstück zu sich zu nehmen, das vor dem abendlichen Halt ihre letzte Mahlzeit sein sollte. Sie beabsichtigte, die Nacht bis Glasgow durchzufahren. Und ihr ungebetener Begleiter – ob er sich ein gutes Essen, ein bequemes Bett sowie das Kartenspiel versagen und an ihrer Seite bleiben oder sie ihrem Schicksal überlassen würde? Vielleicht hatte er das ja bereits getan und einen anderen Kutscher gefunden, der auch nachts über das Ödland gefahren war und ihn mitgenommen hatte. Die Vorstellung, jetzt vielleicht vollkommen allein zu sein, versetzte sie in Panik. Auch wenn sie sich selbst gegenüber das nicht gern zugab, sie brauchte ihn.
Als sie Duncan am Frühstückstisch entdeckte, seufzte sie vor Erleichterung. Ihr Stolz ließ nicht zu, ihm das zu zeigen, und sie gedachte auch nicht, sich zu ihm zu setzen. Auf dem Weg zu einem Tisch an der anderen Seite des Raumes musste sie an ihm vorbei.
„Guten Morgen, Miss Sadler“, begrüßte er sie fröhlich.
„Guten Morgen“, erwiderte sie kühl.
Er hielt ihre Hand fest. „Wo wollen Sie hin?“
„Ich möchte dort drüben frühstücken.“
„Also bin ich immer noch in Acht und Bann, und Sie gönnen mir das Vergnügen Ihrer Gesellschaft nicht.“
Helen versuchte vergeblich, sich aus seinem Griff zu befreien. „Captain Blair, würden Sie mich wohl loslassen?“
„Ja, wenn Sie mir meine Entgleisung verzeihen und mit mir zusammen frühstücken. Wie Sie sehen, bin ich bußfertig.“ Helen bemerkte zwar nichts dergleichen, versuchte aber nicht länger, sich loszureißen. „Ich verspreche, mich anständig zu benehmen und Sie auch nicht zu küssen, falls Sie das nicht wünschen“, fuhr er lächelnd fort. „Kommen Sie, teilen Sie das Frühstück mit mir. Für mich allein ist es zu viel, und es wäre schade, etwas zu verschwenden.“
Aus purer Sparsamkeit – zumindest redete sie sich das ein – gab sie nach und setzte sich ihm gegenüber.
„Wir haben zwanzig Minuten Zeit bis zur Abfahrt der Kutsche“, erklärte er. „Heute Nacht soll ein Erdrutsch die Shap
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