Historical Lords & Ladies Band 40
Durch eine offene Tür erblickte sie den Kutscher, der mit seinem Begleiter eine Pfeife rauchte. Der Raum war von Rauch erfüllt, und es waren keine Frauen anwesend. „Mr Grinley“, rief sie leise, da sie nicht wagte, das männliche Heiligtum zu betreten. „Kann ich mit Ihnen reden?“
Er trat zu ihr. „Ja, Miss, was kann ich für Sie tun?“
„Kennen Sie hier irgendwo in der Nähe ein Geschäft, wo ich ein Schmuckstück verkaufen kann?“
„Bedeutet das, dass Ihnen das Geld ausgegangen ist?“, fragte er erstaunt.
„Noch nicht ganz, aber diese Reise hat sich sehr verzögert. Vielleicht benötige ich weitere Mittel, bevor sie zu Ende ist.“
„Warum bitten Sie nicht den Captain? Ich bin sicher, dass er Ihnen aushelfen würde.“
„Nein“, erwiderte Helen schnell. „Er braucht nichts davon zu erfahren. Wenn Sie einen Interessenten für meinen Schmuck kennen, nennen Sie mir ihn. Und bitte verraten Sie mich dem Captain nicht“, setzte sie hastig hinzu, bevor er den Mund öffnen konnte. „Versprechen Sie mir das?“
„Wie Sie wünschen, Miss. Zwei Straßen weiter befindet sich ein Leihhaus. Es ist nicht schwer zu finden. Kommen Sie, ich erkläre Ihnen den Weg.“
Sie begleitete ihn zur Tür und lauschte aufmerksam seinen Instruktionen, bevor sie in die Eingangshalle zurückkehrte, wo der Captain bereits auf sie wartete.
„Ihr Raum liegt am oberen Ende der Treppe nach vorne hinaus“, sagte er. „Ihr Koffer sowie heißes Wasser wurden bereits nach oben gebracht.“
„Vielen Dank. Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht.“
„Gute Nacht, Miss Sadler. Ich habe dem Zimmermädchen aufgetragen, Sie rechtzeitig zu wecken, damit sie vor der Abfahrt noch frühstücken können.“
„Das war sehr freundlich von Ihnen.“
„Machen Sie sich deshalb keine Gedanken.“ Duncan fand, dass sie anders aussah als sonst. Ihre Augen waren sehr hell, ihre Wangen röter als gewöhnlich. Dachte sie etwa, dass er sie erneut küssen würde? So gern er das auch getan hätte, er würde es kein zweites Mal riskieren. „Es soll noch kälter werden und vielleicht sogar schneien“, sagte er. „Sie wären gut beraten, sich morgen so warm wie möglich anzuziehen. Ich glaube, dass zusätzliche Unterwäsche wirkungsvoller ist als Oberbekleidung.“
Helen starrte ihn ungläubig an. Die letzte Bemerkung rief ihr die erste Nacht ihrer Reise ins Gedächtnis zurück. Sie hatte doppelte Unterwäsche übereinander getragen, und jemand hatte ihr ins Bett geholfen. Die sanften Hände und die weiche Stimme hatten zweifellos dem Captain gehört. Ohne ein Wort zu äußern, floh sie die Treppe hinauf in ihr Zimmer, schlug die Tür hinter sich zu und warf sich auf das Bett.
Sie lag da und zitterte vor Scham, als sie sich vorstellte, wie er die Knöpfe an ihrem Kleid geöffnet und ihre nackte Haut berührt hatte. Also war sie schon lange vor dem Kuss kompromittiert worden. Wie sollte sie nur weitermachen? Andererseits gab es keinen Weg zurück. Und da war immer noch die Rechnung, die am nächsten Tag bezahlt werden musste.
Helen riss sich zusammen, stand auf und ging zum Spiegel, vor dem sie sich die Frisur in Ordnung brachte. Dann setzte sie den Hut wieder auf, zog den Mantel an und verließ den Raum. Sie schaute sich vorsichtig nach dem Captain um, bevor sie die Treppe hinunterging und auf die Straße trat.
Joe Grinley saugte nachdenklich an seiner Pfeife und überlegte, wie er Captain Blair von Miss Sadlers Vorhaben informieren konnte, ohne sein ihr gegebenes Versprechen zu brechen. In diesem Augenblick entdeckte er eine kleine, in einen schwarzen Mantel gehüllte Gestalt, die am Fenster vorbeihuschte.
„Captain“, sprach er den Mann an, der mit einem Becher Ale auf der anderen Seite des Kamins saß. „Ich weiß nicht, ob Sie das interessiert, aber die junge Dame ist gerade auf die Straße hinausgegangen.
Duncan schrak aus seinem Grübeln hoch. „Was haben Sie gesagt?“
„Dass Miss Sadler ausgegangen ist. Ich frage mich, was sie zu dieser Abendstunde draußen zu suchen hat.“
Der Captain sprang auf, verließ die Schankstube und lief auf die Straße. Da Helen gerade um die nächste Ecke bog, folgte er ihr langsam – jeden Augenblick bereit, sich zu ducken, falls sie sich umdrehte.
Schließlich entdeckte er, dass sie ein Haus betrat, in dem offenbar ein Pfandleiher sein Gewerbe ausübte. Duncan schlich sich näher heran, spähte durch das schmutzige Fenster und beobachtete, wie sie einem Mann, der auf einem Hocker am
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